Es sei mittlerweile schon fast normal geworden, Menschen, die nach Österreich geflüchtet sind, als Menschen zweiter Klasse zu behandelt, sagt Susanne Scholl. Dabei habe Österreich eine lange Tradition, Menschen aufzunehmen. „Wir haben nicht immer gegen Migranten gehetzt“, so die Autorin und ehemalige ORF-Journalistin bei einer Diskussionveranstaltung des Sozialreferats der Diözese am 18. Oktober im Linzer CardijnHaus. Migrantinnen und Migranten werden zu Menschen zweiter Klasse gemacht, indem sie pauschal als Bedrohung wahrgenommen werden; indem von ihnen erwartet wird, sich zu integrieren und dabei ihre eigene Lebensgeschichte und Kultur zu verleugnen; indem ihnen oft nicht geglaubt wird, was sie auf ihrem Fluchtweg erfahren mussten. „Wir tun so, als ob es überall auf der Welt eine so relativ gemütliche Lebensform gäbe wie bei uns, also kann es keinen Grund geben, dass jemand zu uns flüchten muss.“ Mit einer solchen Einstellung hat auch der Rechtsberater Michael Genner vom Verein „Asyl in Not“ zu kämpfen. Er erzählte von einer Frau, die im Bundesamt für Asyl- und Fremdenwesen von ihrer Vergewaltigung in Afghanistan berichtet hatte und darüber, wie sie davor gezwungen worden war, ihre Hose auszuziehen. Ein Beamter begründete den negativen Asylbescheid mit den Worten, der Bericht könne nicht wahr sein, denn „Frauen in Afghanistan tragen keine Hosen.“
Wie in Österreich über Zugezogene gesprochen wird, spielt eine wesentliche Rolle dabei, wie sich das Land in Zukunft weiterentwickelt. Davon ist Susanne Scholl überzeugt. Sie stellt die Frage nach der Gesellschaft, in der wir leben wollen: in einer Monokultur, in der andere als Bedrohung wahrgenommen und in oft unsichere Länder abgeschoben würden – oder in einer offenen, toleranten und multikulturellen Gesellschaft? „Wir können im 21. Jahrhundert jedenfalls nicht mehr so tun, als würde der Rest der Welt nicht existieren.“
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