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Welche inneren und äußeren Widerstände es hier gibt und warum sich manche trotzdem engagieren, weiß Psychologe Thomas Brudermann.
Ein Wasserschwein packt ein zweites beim Kragen und ruft: „Wir müssen was tun!“ Das andere antwortet: „Ok! Nächste Woche. Vielleicht ...“
Wie dieses Wasserschwein sind auch Menschen sehr gut darin, die Umsetzung ihrer guten Vorsätze auf später zu verschieben oder sie gar nicht zu realisieren.
Das betrifft oft auch das Verhalten beim Klimaschutz. Da heißt es dann „Es ist zu spät“, „Ich habe schon genug andere Sorgen“ oder „Klimaschutz schadet der Wirtschaft und damit uns“.
Mit diesen und vielen weiteren Ausflüchten beschäftigt sich der Psychologe Thomas Brudermann in seinem Buch „Die Kunst der Ausrede“ – daraus stammt auch die Szene mit den Wasserschweinen. Er analysiert darin, warum wir uns in Sachen klimafreundliches Verhalten oft selbst täuschen.
Zwei Faktoren stellt er fest: „Zum einen wollen unsere Gehirne effizient und sparsam arbeiten. Jede Veränderung, jede Reflexion bedeutet einen Energieaufwand.“
Zum anderen spiele das positive Selbstbild eine große Rolle, das mit den Ausreden verteidigt wird. Beispielsweise rede man sich ein, dass man selbst „ja genug tut für den Klimaschutz“, aber die anderen nicht oder es gehe eben nicht besser.
Nicht nur der eigene innere Widerstand kann Menschen davon abhalten, klimafreundlich(er) zu leben, auch die übergeordneten (politischen) Strukturen tragen ihren Teil dazu bei.
Der Psychologe vergleicht die beiden Komponenten mit einer Schere: „Eine Schneide sind die Strukturen und die andere Schneide sind die psychologischen Variablen, die eigene Haltung. Man kann probieren, mit einer der zwei Klingen alleine etwas zu schneiden, aber das funktioniert nur bedingt gut. Die beiden Dinge müssen ineinandergreifen.“
Radikale Klimakleber, demonstrierende Fridays for Future-Anhänger, politische Klimaschutzinitiativen: Ein Teil der Bevölkerung fordert lautstark einen Wandel, scheint damit aber häufig gegen massive Mauern anzulaufen.
Für Brudermann keine Überraschung: „Keine Veränderung beginnt mit einer Mehrheit. Veränderung beginnt immer klein, mit dieser einen Gruppe, die eine Notwendigkeit sieht, dass sich etwas verändern muss. Sehr oft stößt diese kleine Gruppe auf gesellschaftliche Widerstände, weil Veränderung als etwas Bedrohliches wahrgenommen wird.“
Verhaltensökonomische Studien haben gezeigt, dass Menschen lieber zu einer bekannten schlechten Option tendieren, als eine gleichzeitig angebotene, unbekannte Option zu bevorzugen.
„Eine Veränderung in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaschutz ist für viele Menschen mit Unsicherheit verbunden.“ Sei die Veränderung jedoch einmal eingetreten, wolle niemand mehr zurück zum alten Zustand. „Die Akzeptanz für Windkraftanlagen ist dort am höchsten, wo es schon sehr viele gibt“, nennt Brudermann ein Beispiel.
Trotz aller Widerstände sehen immer wieder Menschen einen Sinn darin, sich für Klimaschutz zu engagieren. Thomas Brudermann fragt jene, die zu seinen Vorträgen und Workshops kommen, warum sie das tun.
Oft sind es zwei Dinge: „Viele denken dabei an ihre Kinder oder Enkelkinder. Sie wollen, dass diese auch eine lebenswerte Zukunft haben. Dazu kommt noch eine gewisse Naturverbundenheit. Sie möchten, dass die Natur, die sie erleben durften, auch noch weiter erhalten bleibt – für sie selbst, aber auch wieder in Hinblick auf ihre Nachfahren.“
Das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, einen Beitrag zu leisten, der „über mich hinausgeht, der größer ist als ich selbst“, wirke sehr viel länger nach als der kurzfristige, vergnügliche Kick. „Menschen, die diesen Sinn für sich gefunden haben, sind tendenziell auch lebenszufriedener“, sagt Thomas Brudermann.
Aus wissenschaftlicher Sicht gebe es keinen Zweifel, dass die Menschheit eine extreme Herausforderung vor sich habe, sagt Brudermann. „Im politischen Diskurs streiten wir jedoch immer noch darüber, ob wir überhaupt etwas machen müssen oder nicht.“
Sein „frommer Wunsch“ ist es daher, wissenschaftliche Erkenntnisse im öffentlichen Diskurs nicht in Streit zu stellen, wobei über Detailfragen natürlich diskutiert werden könne. Darüber hinaus müsse an strukturellen Maßnahmen gearbeitet werden. Soll erreicht werden, dass Menschen weniger Auto fahren und weniger Fleisch essen, muss es dafür auch gute Alternativen geben.
Die Maßnahmen müssen auch fair sein, sagt Thomas Brudermann: „Sobald Menschen das Gefühl haben, sie werden benachteiligt, sinkt die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen massiv.“
ist Psychologe und Professor für Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung an der Universität Graz. Als Experte für menschliches Entscheidungsverhalten kennt er die inneren und äußeren Widersprüche, die uns klimafreundliches Verhalten erschweren.
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