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Reformen bei der Kinderbetreuung

Tagesmütter in Oberösterreich: „Vieles nicht bedacht“

GESELLSCHAFT_SOZIALES

Mit 1. September tritt eine Gesetzesnovelle in Kraft, die unter Eltern, Tagesmüttern und auch Gemeinden für Verunsicherung sorgt. Das Land OÖ will mit dem Gesetz mehr Rechtssicherheit schaffen.

Ausgabe: 35/2023
29.08.2023
- Lisa-Maria Langhofer
Tagesmütter sind für viele berufstätige Eltern eine wertvolle Unterstützung im Alltag.
Tagesmütter sind für viele berufstätige Eltern eine wertvolle Unterstützung im Alltag.
© Krakenimages.com/Stockadobe

Die Gesetzesnovelle im Oö. Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz besagt, dass Kinderbetreuungseinrichtungen ab drei Kindern mit Betreuungsbedarf auch am Nachmittag geöffnet haben müssen. „Künftig sollen alle Eltern die Gewissheit haben, dass ihre Kinder bis zum Ende ihrer Arbeitszeiten in den Einrichtungen, in denen sie auch an den Vormittagen Bildung und Geborgenheit erfahren, gut weiterbetreut werden. Mit dem Gesetz schaffen wir Rechtssicherheit“, sagt Landeshauptmann-Stellvertreterin und Bildungslandesrätin Christine Haberlander. Eher zu Verwirrung und teils großen Sorgen führt die Novelle bei Eltern und Tagesmüttern.  


Wenn Erstere nämlich ihr Kind ganztags in den Kindergarten oder den Hort geben, fällt die Landesförderung für Letztere weg, erklärt Doris Margreiter, Geschäftsführerin der Aktion Tagesmütter Oberösterreich. Wie genau die Umsetzung der Novelle im Einzelfall aussehen soll, sei nicht im Detail definiert. Es habe zwar eine Information seitens der Landesbildungsdirektion Mitte Juni gegeben, jedoch hätten die Gemeinden ihre Bedarfserhebungen bereits im Frühling gemacht und nun war Urlaubs- und Ferienzeit, die Folge: „Die Gemeinden hatten zu wenig Vorbereitungszeit. Es ist alles viel zu schnell gegangen, vieles wurde beim neuen Gesetz nicht bedacht“, sagt Margreiter.

 

Vom regelmäßigen Austausch des Tagesmuttervereins mit einigen Gemeinden weiß sie, dass diese vor dem Problem stehen, rechtzeitig entsprechende Räume und vor allem Personal bereitzustellen.

Förderung bleibt gleich Wie Landesrätin Haberlander betont, ändert sich an der grundsätzlichen Förderung von Tageseltern nichts, diese seien von der aktuellen Gesetzesnovelle nicht betroffen. Haberlander: „Die Tagesmütter- und -väter sind eine wichtige Ergänzung unseres Kinderbildungs- und -betreuungssystems und werden als solche sehr wertgeschätzt. Manche Eltern entscheiden sich bewusst für die besonders familienähnliche Betreuung einer Tagesmutter. Diese individuelle Entscheidung bleibt den Eltern auch künftig unbenommen.“

 

Große Verunsicherung


Aufseiten der Tagesmütter herrschten jedoch große Verunsicherung und Unmut, sagt Margreiter. Das Gesetz sei für viele nicht nachvollziehbar; manche fürchten auch um ihren Job, sollten sich die Eltern entscheiden, ihre Kinder ganztags in den Kindergarten oder den Hort zu geben. Tagesmütter könnten auch im Kindergarten arbeiten, argumentiert das Büro Haberlander, nur der Ort ändere sich. „Tagesmütter haben eine andere Ausbildung als das Personal in den Einrichtungen“, gibt Margreiter zu bedenken. „Manche können sich auch nicht (mehr) vorstellen, in einer Einrichtung zu arbeiten.“ Hinzu kommt, dass es nicht nur Ganztags-Tagesmütter gibt, sondern auch Frauen, die noch einen anderen Job ausüben. Doris Margreiter nennt etwa eine andere Tagesmutter, die Musikerin ist und nachmittags oder abends Konzerte spielt und die Kinder daher zu anderen Zeiten betreut. 


Im Falle der alleinerziehenden Johanna Fürweger aus Wartberg an der Krems ist es so, dass die Tagesmutter vormittags in einer Bäckerei arbeitet und am Nachmittag auf ihre eigenen Kinder und Fürwegers Tochter aufpasst. „Beruflich etwas anderes zu machen, ist für sie schwierig, da sie für ihr eigenes Kind keine Kinderbetreuung hat. Die Krabbelgruppe in Wartberg ist voll“, erklärt Fürweger, die selbst Mutter zweier Kinder ist und als Verkaufsberaterin in Wels arbeitet. „Es gibt ganz viele individuelle Bedürfnisse“, fasst Margreiter zusammen. Für sie ist das Gesetz noch nicht ausgereift: „Was ist etwa, wenn während des Jahres ein drittes Kind dazukommt oder ein Kind wegfällt? Diese und andere Fragen gehören noch abgeklärt.“ Die Aktion Tagesmütter Oberösterreich prüft jeden Fall individuell mit der Landesbildungsdirektion und stehe im engen Austausch mit den Gemeinden. Fürweger kritisiert, dass es keine richtigen Antworten darauf gebe, was mit der neuen Regelung nun besonders in Bezug auf die Mischbetreuung (z. B. Kindergarten und Tagesmutter) geschieht. Sie selbst habe mehrere Anfragen an politische Entscheidungsträger:innen und die Landesbildungsdrektion gerichtet.

 

Wertvolle Stütze


Fürweger gibt zu bedenken, dass der Kindergarten in den Ferien, an Feier- und Zwickeltagen geschlossen habe, so viele Wochen Urlaub könne sie sich nicht nehmen. Die Großeltern seien berufstätig und könnten nur fallweise einspringen. Davon abgesehen möchte sie ihr Kind gar nicht den ganzen Tag in den Kindergarten geben, für sie ist die Unterstützung einer Tagesmutter von unschätzbarem Wert: „Sind die Kinder bei der Tagesmutter, ist es, als wären sie daheim. Da sind ihre Freunde, sie können in den Wald oder zum Bach gehen, die Tagesmutter macht mit ihnen die Hausübung und so weiter.“ Tagesmütter betreuen die Kinder nicht nur zu Hause, sondern bringen diese auch in die Musikschule oder zum Fußball.


Margreiter erwartet sich, dass „es eine Übergangsfrist gibt und in dieser Zeit Klarheit geschaffen wird, in welchem Fall was genau passiert. Es geht mir dabei nicht nur um die Tagesmütter, sondern auch um die Eltern, die eine gute Betreuung ihrer Kinder verdienen und dabei möglichst Wahlfreiheit haben sollen.“ Sowohl Fürweger als auch die Aktion Tagesmütter Oberösterreich starteten jeweils eine Petition für die Förderung der Tagesmütter. 

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