Die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie seien zwar richtig, lösen gleichzeitig aber viel psychisches Leid aus, sagt Kurosch Yazdi, Vorstandsvorsitzender von pro mente OÖ. „Vor allem die Internet- und Handysucht ist in den vergangenen Monaten gestiegen. Die Jugendlichen gewöhnen sich zu sehr an die Online-Kommunikation, und manche kommen nicht mehr weg davon.“ Dabei müsse zwischen Home-Schooling und der Internetnutzung in der Freizeit unterschieden werden, sagt der Experte: „Schule und Lernen über das Internet machen nicht süchtig, sondern jene Aktivitäten, die das Belohnungssystem anregen: Onlinespiele, Chats, soziale Medien.“
Kinder- und Jugendpsychiaterin Doris Koubek rät Eltern, darauf zu achten, dass ihre Kinder nicht auch noch die gesamte Freizeit am Computer verbringen: „Eltern können sich zum Beispiel zum Kind setzen und sich Tiktok oder Instagram erklären lassen. Oder man bäckt gemeinsam einen Kuchen, sieht sich einen Film an, spielt ein Brettspiel.“ Wichtig sei, den Kontakt zum eigenen Kind nicht zu verlieren. „Natürlich ist das derzeit eine Herausforderung“, ergänzt Manula Nemesch, Geschäftsfeldleiterin pro mente Jugend, „und auch Eltern stoßen irgendwann an ihre Grenzen. Sich Unterstützung zu suchen, ist keine Schande, sondern zeigt, dass einem die eigenen Kinder wichtig sind.“
Auch Brigitte Schimpl, Leiterin der psychotherapeutischen Ambulanzen des Kinderhilfswerks, spricht von einem Drittel mehr Betreuungs-Bedarf. „Jugendliche ziehen sich immer mehr zurück, berichten von Einsamkeit, Frustration und einem Gefühl der Sinnlosigkeit. Jüngere Kinder haben mehr mit Ängsten zu kämpfen, etwa dass die Oma stirbt.“ Ein wachsendes Problem, von dem sowohl pro mente als auch das Kinderhilfswerk berichten, sind Essstörungen. „Die Isolation zuhause und die fehlende Ablenkung durch den Schulalltag führen dazu, dass sich vor allem Mädchen noch mehr mit ihrem Gewicht beschäftigen. Sie suchen sich im Internet vermeintliche Vorbildern, was ihre Selbstzweifel noch verstärkt“, sagt Koubek. Auch das Gegenteil komme vor, sagt Schimpl: „Manche reagieren bei Überforderung oder Einsamkeit mit Nicht-Essen, andere mit ‚Binge-Eating‘, also Fressattacken.“
Die wachsenden psychischen Probleme müssen rasch erkannt und professionell behandelt werden, sind sich die Expert/innen einig. „Das Wichtigste ist, die jungen Menschen ernst zu nehmen und ihnen zu vermitteln: Wir sind für euch da und wir schaffen das gemeinsam.“«
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