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Ich habe keine Hoffnung in die Zukunft mehr gehabt.“ So erzählt es Jan Zahradník. Mathematiklehrer ist er gewesen. Die politische Wende in Tschechien vor 30 Jahren bedeutete eine gewaltige Lebenswende für ihn persönlich. Zahradník ging in die Politik, um für die verloren geglaubte Zukunft zu arbeiten. Vom Jahr 2000 an bis 2008 war er Kreishauptmann von Südböhmen – und somit einer der wichtigsten politischen Partner des damaligen Landeshauptmannes von Oberösterreich, Josef Pühringer. Beiden war klar: Trotz zweier großer belastender Themen – der Nutzung der Atomkraft und der Frage der Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg – braucht es Dialog und Zusammenarbeit. Aus der, wie Pühringer es nennt, „anfangs schwierigen Nachbarschaft“ ist eine fruchtbare Kooperation geworden, mit Höhepunkten wie dem gemeinsamen Adalbert-Stifter-Jubiläum 2005 und der Oberösterreich-Südböhmen-Ausstellung 2013.
Dialogpolitik hat es heute in Tschechien schwer. Die Regierung Andrej Babiš’ in Prag redet die Zeit nach der Wende schlecht und schlägt einen populistisch-nationalistischen Kurs ein. „Aber“, so Zahradník, „wer sagt, dass nach der Wende alles schlechter geworden sei, redet nicht die Wahrheit.“ Als einer von 200 Abgeordneten im tschechischen Parlament kämpft er heute für eine Politik der Zusammenarbeit unter den Staaten. So wie nach dem Ersten Weltkrieg der völlige Abbruch der Verbindungen zwischen den Kronländern der Monarchie für die einzelnen Nationen ein Nachteil gewesen wäre, brauche es heute die Zusammenarbeit in Europa. Gerade die kleineren Nationen würden davon profitieren.
30 Jahre nach der politischen Wende befindet sich Tschechiens Kirche am Anfang. So sieht es der Prager Kardinal Dominik Duka. Bei einem Empfang für eine Pro-Oriente-Delegation aus Linz, angeführt von Bischof Manfred Scheuer und dem Vorsitzenden Josef Pühringer, nennt er als erste Priorität: Die Kirche muss sich der Gesellschaft gegenüber öffnen. Gerade in Böhmen sind viele Menschen ohne jede Verbindung mit Religion und Kirche aufgewachsen. Bischof Vlastimil Krocˇil nennt die Zahlen am Beispiel des Bistums Budweis. Etwa 22.000 Menschen besuchen in seiner Diözese am Sonntag einen Gottesdienst. Knapp 800.000 Einwohner/innen leben im Bistum. 345 Pfarren gehören dazu, doch in vielen kleinen Pfarren ist das kirchliche Leben ganz erloschen. Mit einer Umstrukturierung versucht man der Situation gerecht zu werden. „Tote“ Pfarren werden mit anderen zusammengelegt oder aufgelöst, sodass es künftig 230 Pfarrgemeinden geben wird. Diese werden in zehn Pfarrvikariate zusammengefasst. In jedem Vikariat sollen fünf Priester wirken, die jeweils 35 bis 40 Gemeinden betreuen. Jedes Vikariat soll ein geistliches Zentrum haben, etwa mit einer kleinen Ordensgemeinschaft.
Konflikt um Güterrückgabe. In ganz Tschechien steht die katholische Kirche vor einem Riesenproblem: Im Jahr 2013 wurde die völlige Trennung von Kirche und Staat gesetzlich verankert. Damit verbunden war ein Modus für die Rückgabe der Kirchengüter. Die Kirche muss sich in der Folge zur Gänze selbst erhalten. Die jetzige Regierung hat jetzt jedoch eine Besteuerung für die Entschädigungszahlungen beschlossen. Die Kirche könnte, falls es tatsächlich so kommt, viele Rückgabegüter gar nicht annehmen, weil sie sich die Steuer dafür nicht leisten kann. Jetzt hoffen die Kirchenvertreter auf die Entscheidung der obersten juristischen Instanz. Dass für die Rückgabe von geraubtem Gut auch noch Steuer bezahlt werden muss, versteht hier keiner. Besonders hart trifft es das Zisterzienserstift Hohenfurth. Bereits zurückgegebene Güter will der Staat jetzt mit Verweis auf die Benes-Dekrete erneut zurückhaben. Man unterstellt dem Stift Kollaboration mit den Nationalsozialisten, obwohl diese das Stift enteignet haben und die Mönche das Kloster verlassen mussten. „Wir selbst brauchen ja nicht viel“, meint Abt Justinus Berka. Zehn Brüder, davon zwei Priester, umfasst der Konvent. Doch es muss auch für Angestellte gesorgt werden.
In Tschechiens Kirche hat sich ein Generationenwandel vollzogen. Die alten Priester aus der Zeit der Wende sind gestorben. Eine kleinere Zahl rückt nach, personelle Unterstützung kommt aus Polen und aus der Slowakei.
Am Beispiel der Caritas von Budweis wird auch deutlich, was Öffnung in die Gesellschaft bedeutet: Direktor Jirˇí Kohout will Kirche nicht nur Liturgie-orientiert verstanden wissen. Er betont das soziale Wirken in der Gesellschaft. Mit etwa 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden viele Dienstleistungen im Auftrag des Staates erfüllt. Ein Netz von etwa 70 Dienstleistungsstellen wurde aufgebaut. Unter den Mitarbeitenden sind viele, die keine Liturgie-verbindung mit der Kirche haben. Doch in einem Land, in dem die Durchschnittspension rund 350 Euro beträgt, ist gerade das soziale Wirkarm der Kirche wichtig.
Anders als in Österreich schöpft die Kirche in Tschechien ihre Kraft aus den Städten, weniger aus den Landgemeinden. Hierher kommen die Jugendlichen, um zu studieren. Hier haben sie eher die Chance, mit Religion in Berührung zu kommen. Für Erzbischof Duka ist es dann oft nicht leicht, junge Priester zu motivieren, auf das Land zu gehen. Das Augenmerk will er stark auf Kinder und Jugendliche legen.
Zahradník, der Mann, der seine Hoffnung verloren geglaubt hat, vertraut auf die Zukunft. Den Abgeordneten seiner Fraktion sagt er: „Wir müssen die Populisten bei Wahlen besiegen.“ Er glaubt, es sei möglich.
Im Prager Veitsdom feierte Bischof Manfred Scheuer am Morgen des 2. Oktober, zum „Schutzengelfest“, mit der Reisegruppe von Pro Oriente die Mortgenmesse. Gott befreit – Gott nährt – Gott heilt, deutete der Bischof dabei das Wirken der Engel. Es sind auch Aussagen über das Wirken Gottes. Ein Viertes kommt dazu: Engel öffnen die Dimension für die Transzendenz in das Angesicht Gottes.
Auf tschechischem Boden hat dieses Wirken eine besondere Bedeutung, etwa im Hinblick auf das Freiheitserlebnis nach der Wende, die Ernüchterung in den Jahren danach, als sich ursprüngliche Hoffnungen nicht wie erwartet erfüllten, das Heilen alter Wunden. Scheuer erinnerte an den ehemaligen Dissidenten und späteren Staatspräsidenten Václav Havel, der eindringlich die Bedeutung der Transzendenz für das politische Zusammenleben betont habe. Das Haus Europa könne er sich nur vorstellen, wenn dessen Architektur ausdrücklich offen bleibe für die Transzendenz.
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