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Eine Frau hat das Dirndlkleid ihrer Oma geerbt. Ein wunderschönes Stück, das sie nicht nur als Erinnerung im Kasten hängen lassen, sondern auch tragen möchte.
Leider ist der Großmutter ein Missgeschick passiert sein, sodass das Kleid einen ein Zentimeter langen Riss aufweist. So kann man es nicht tragen. Also doch entsorgen? – Oder in die Kunststopferei bringen. Geschichten wie diese sind nicht erfunden. Karina Leitner hat das im Lauf der vierzig Jahre, die sie als Kunststopferin tätig ist, schon oft erlebt. Sie braucht auch nicht lange zu suchen.
Auf einer Kleiderstange in ihrer Werkstatt hängen die Stücke, die sie zu bearbeiten hat. Darunter finden sich auch Dirndlkleider. Sie nimmt eines herunter und zeigt auf ein Loch im Rock. Das so zu reparieren, dass man nichts mehr oder möglichst wenig von dem Problem sieht, ist Aufgabe einer Kunststopferin. Sie kann ihren Beruf noch genauer beschreiben: „Als Kunststopfen bezeichnen wir die auch heute noch in zum Teil aufwendiger Handarbeit sorgfältig durchgeführte Reparatur von Textilien.“
Unter den Stücken, die auf eine Reparatur warten, finden sich unter anderem ein Lodenmantel mit Mottenlöchern, mehrere Pullover und auch ein Sakko. Die Kleiderstange hängt voll. „Arbeit ist genug da. Wir sind sogar ohne Kurzarbeit durch die Pandemie gekommen“, sagt Karina Leitner.
Nachdem sie eine Floristenlehre absolviert hatte, merkte sie, dass das nicht der richtige Beruf ist. Sie begann, zur Überbrückung – bis sie das Richtige gefunden hat, wie sie dachte – in der Änderungsschneiderei und Kunststopferei des Vaters in der Linzer Bischofstraße zu arbeiten.
Das war 1983. Heute ist sie noch immer im Betrieb, seit 2000 auch als Inhaberin: „Meine Arbeit erlebe ich als sehr befriedigend. Natürlich bin ich keine Hobbyschneiderin, ich muss schon Umsatz machen. Aber es ist dennoch meditativ und kein Beruf, bei dem man ausbrennt.“ Ihr Betrieb besteht aus einem Raum, in dem die Kund:innen bedient werden und einem Werkstattraum, in dem auch ihre Mitarbeiterin arbeitet. Die Änderungsschneiderei bildet das zweite Standbein des kleinen Unternehmens. Auch dieser Bereich ist voll ausgelastet.
Die Kreativität beschreibt Karina Leitner als das Schöne und Besondere an ihrem Beruf. Die Methoden, mit denen sie Risse, Löcher und Mottenschäden behandelt, sind vielfältig, vielfältiger als man das erwarten würde. Auf ihrer Website stellt sie die unterschiedlichen Techniken vor, ein Loch zu schließen.
Die Methoden reichen vom Einweben, Stopfen, Maschensticken, Stoßen bis zur Reparatur mit der Nähmaschine. Denn nur auf den ersten Blick gleicht ein Loch dem anderen. Leitner hat so manche Technik weiterentwickelt und auch selbst entwickelt: „Weil sich die Stoffe ändern, ist man stets gefordert, an neuen Techniken zu tüfteln.“
Seit sie eine Website betreibt, bekommt sie aus ganz Europa Textilien zum Reparieren zugeschickt, aus ganz Österreich ohnedies schon seit Langem, erklärt sie. Denn es gibt nur mehr wenige Betriebe, die das Kunststopfen beherrschen. Die Kunststopfereien in Salzburg, Graz und Vorarlberg haben geschlossen, in Wien gibt es noch eine Werkstätte. Auch Karina Leitner sucht für ihre Änderungsschneiderin und für sich selbst eine Nachfolge.
Die Schneiderin geht bald in Pension und sie erreicht das Pensionsalter in drei Jahren. Bislang war alles Suchen erfolglos. „Ein, zwei junge Schneiderinnen oder Schneider könnten von dem Geschäft gut leben, hätten eine sichere Existenz. Denn der Zeitgeist arbeitet für uns“, betont die Kunststopferin.
Das Reparieren erfährt in der Gesellschaft eine unübersehbare Renaissance. So widersetzen sich immer mehr Menschen der Wegwerf-Unkultur, die auf Kosten der Umwelt und Menschenrechte geht, wenn man an die Produktionsbedingen von Kleidung in Bangladesch und anderen asiatischen Ländern denkt.
Leitner weist auch auf die zunehmende Zahl von Menschen hin, die unter Hautallergien leiden. Sie müssen hochwertige, teure Kleidung tragen. Da lohnt sich das Reparieren allein schon unter finanziellen Gesichtspunkten. „Du hast keine Firma, du bist eine Institution“, sagen Bekannte oft zu Karina Leitner. Sie freut sich über diese Charakterisierung ihrer Arbeit. josef wallner
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