In den Gedenkjahren des „Anschlusses“ Österreichs an Hitlerdeutschland dominieren in der Berichterstattung die Bilder von Menschenmassen, die Hitler zujubelten. Zu „80 Jahre Anschluss“ im März 2018 war es nicht anders. Doch während die einen sich 1938 vor Begeisterung heiser schrieen, wurden Tausende andere bereits verhaftet. Zum heurigen Gedenken hat Erna Putz eine Initiative gesetzt, um einmal diese „Rückseite“ des Anschlusses in den Mittelpunkt zu stellen. Sie veranstaltete dazu am 13. März 2018 im KZ Dachau einen Gottesdienst und Festakt, bei dem die Verlesung der Namen aller Dachau-Häftlinge aus Oberösterreich im Zentrum stand. (Die KirchenZeitung hat Name und Herkunftsort der etwa 900 Gefangenen in einem Sonderdruck veröffentlicht.)
Die Würdigung jedes einzelnen Häftlings ist auf so großes Echo gestoßen, dass Erna Putz nun das Projekt ausgeweitet und gleichzeitig regionalisiert hat. Sie stellt bis 22. November bezirksweise die Opfer des Nationalsozialismus mit Namen vor. Eröffnet wurde die Aktion am 21. Mai in Bad Ischl, die nächste Feier greift am 13. August die Bezirke Perg und Freistadt auf (siehe Kasten). Dann folgen 13 weitere Veranstaltungen.
Es gibt natürlich keine Liste, auf der sämtliche Opfer der Nationalsozialisten verzeichnet wären. Die Recherche für jede einzelne Veranstaltung ist mit großem Aufwand verbunden. Die Basis für die Namenslisten bilden jene 7.000 Oberösterreicher/innen, die nach dem Krieg beim Staat um Hilfe angesucht haben. Ergänzt werden die Listen um die Euthanasie-Opfer von Hartheim und um die Erwähnungen in den Bänden „Widerstand und Verfolgung“. Für Erna Putz ist es unglaublich, auf wie viel bisher unbekannte oder in Vergessenheit geratene Lebensgeschichten sie stößt. So wurde sie auf Sr. M. Febronia Ahammer aus Altmünster aufmerksam. Die Ordensfrau gehörte den Borromäerinnen an, die im Salzkammergut Niederlassungen, aber das Mutterhaus in Prag hatten. Darum war die 1876 geborene Sr. Febronia in Tschechien tätig, wo sie wegen sogenannter Tschechen- und Judenfreundlichkeit von der Gestapo verhaftet wurde. Ein Jahr litt sie im Frauen-KZ Ravensbrück.
Die Feiern sollen Anfang und Anstoß sein, dass die Menschen vor Ort sich mit ihrer Geschichte der NS-Zeit beschäftigen, nachfragen, nachforschen, vor allem aber gedenken, betont Erna Putz: „Auch nach fast acht Jahrzehnten ist den Angehörigen der Opfer eine Würdigung wichtig und sie ist für sie oft heilsam.“ Erna Putz ist in ihrer Überzeugung gespalten, wenn sie die mangelnde und verspätete Aufarbeitung der Geschichte beurteilen soll: „Natürlich wurde auf die damaligen Denunzianten und auf deren Kinder mehr Rücksicht genommen als auf die Opfer. Die Nationalsozialisten und die Täter waren auch nach dem Krieg stärker als die Opfer“. Gleichzeitig wäre ohne Schlussstrich der Kreislauf von Hass und Hetze nie durchbrochen und ein Neuanfang im Miteinander nie möglich geworden, spricht Putz die andere Seite der Problematik an: „Aber jetzt ist die Zeit, die Opfer zu würdigen. Dabei ist der Name ein wichtiger Teil.“
Ein Festakt in der Reihe der Bezirks-Gedenkfeiern, der aus dem Rahmen fällt, findet im Stift St. Florian (11. September 2018, 17 Uhr) statt. Dort steht die Exekutive im Mittelpunkt. Sie war beim Einmarsch völlig von den Nationalsozialisten unterwandert, andererseits wurden umgehend Gendarmen und Polizisten degradiert, mit Gehaltskürzungen bestraft, misshandelt, eingesperrt und ermordet. „Man darf sich hier nicht von Vorurteilen leiten lassen, sondern muss genau hinschauen“, so Putz.
Feiern für die Bezirke Perg und Freistadt
Greisinghof, Tragwein. Am Montag, 13. August 2018, findet um 18 Uhr am Greisinghof, im Bildungshaus der Marianisten, die Feier für die Opfer der Verfolgung aus den Bezirken Perg und Freistadt statt. Insgesamt werden 187 Namen verlesen (auf der Opferliste befinden sich auch 19 Namen aus der Zeit von 1934 bis 1938). Um 19 Uhr ist Eucharistiefeier. Die Veranstaltung findet am Gedenktag des seligen Jakob Gapp statt. Der Marianist wurde 1943 als Gegner der Nationalsozialisten in Berlin-Plötzensee enthauptet.
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