In manchen Regionen Kenias steht Mädchen im Kindesalter ein traditionelles Ritual bevor: Die weibliche Genitalverstümmelung, auch FGM (Female Genital Mutilation) genannt. Trotz Verbots, wird die Praktik immer noch angewandt. Sie ist ein Teil der Kultur vieler der mehr als 40 ethnischen Gruppen und Stämme im Land, so auch der Samburu in Nordkenia.
Durch die Beschneidung wird laut Tradition das Kind zur Frau und gilt als „rein“. Dann darf geheiratet werden und eine Ehe mit einem älteren Mann wird arrangiert. Oft sind die Mädchen nicht älter als zwölf, wenn das passiert.
Durchgeführt wird dieser grausame Ritus außerhalb der Dörfer nur von Frauen. Den Mädchen werden dabei durch eine sogenannte Beschneiderin die äußeren Geschlechtsorgane teilweise oder vollständig entfernt. Das geschieht meistens mit einem Rasiermesser – ohne Betäubung und unter unhygienischen Bedingungen.
Die Folgen der qualvollen Verstümmelung sind u. a. Infektionen, Schmerzen beim Wasserlassen, während der Monatsblutung und beim Geschlechtsakt. Manche sterben durch Verbluten. Die Betroffenen leiden unter dieser Wunde ein Leben lang – körperlich und seelisch.
Für Jerina (Anm.: Name von der Redaktion geändert) und ihre drei Schwestern stand die Beschneidung ebenfalls auf dem Plan. Doch es kam anders. Glücklicherweise hat ihr Vater, Leiter einer Grundschule in einem Dorf der Region Samburu County im Norden Kenias, mit dieser Tradition gebrochen.
Das ist außergewöhnlich in einer von Männern geprägten patriarchalen und polygamen (ein Mann hat mehrere Frauen) Familienstruktur. Nach einem Gespräch mit seiner Tochter Jerina hat er zunächst sie als Älteste mit zwölf Jahren in die Mittelschule geschickt, keine Ehe für sie arrangiert und sie nicht beschneiden lassen. Sie war froh darüber, doch die Familie, die Stammesführer und Mitglieder der Gemeinde setzten Jerina und ihren Vater deshalb stark unter Druck.
Es kamen Anfeindungen und die Drohung, sie werde keinen Ehemann bekommen und es wurde ihr vorgeworfen, nicht tapfer zu sein. Jerina entgegnete ihnen, sie fürchte sich nicht, sie wolle das Ritual nicht über sich ergehen lassen, sondern lieber die Schule besuchen.
Unterstützt von den „Yamural Missionaries“, der kenianischen Partnerorganisation der Dreikönigsaktion, dem Hilfswerk der Katholischen Jungschar, ging Jerina nach Abschluss der Mittelschule an die Universität von Kenia und studierte Ökonomie. Vor zwei Monaten schloss sie ihr Studium als eine der Besten ab und hat Aussicht auf einen Job in diesem Bereich. Ihr Vater und ihre drei Schwestern sind stolz auf Jerina, denn sie ist die erste in der Gemeinde, die einen Universitätsabschluss absolvierte.
Jerina ist in der Region Samburu County ein positives Beispiel dafür, wie wichtig Bildung vor allem für Mädchen und Frauen ist. Denn 83 Prozent von ihnen gehen dort nicht zur Schule. „Darin liegt die Wurzel des Problems, Kinderheirat und FGM aufzubrechen und auch aus der vorherrschenden Armut zu entkommen“, sagt Irene Naanyu Lenawuatoop, Sozialarbeiterin bei „Yamural Missionaries“.
„Deshalb bieten wir ihnen Schulbildung und unterstützen die Frauen durch Trainings und Startkapital, sich ein Stück weit von den Männern unabhängig zu machen – mit Imkerei, der Herstellung von Brot oder Perlenketten. Und so können sie künftig auch ihre Töchter vor grausame Riten verschonen.“
Jerinas Schwestern haben sich nach Aufklärungsgesprächen durch „Yamural Missionaries“ letztlich auch gegen die weibliche Genitalverstümmelung entschieden, obwohl sie heiraten und Kinder bekommen wollen. Auch sie gerieten unter Druck, haben sich aber ebenfalls nicht einschüchtern lassen. Gemeinsam mit ihrer Schwester und ihrem Vater sind sie die ersten im Dorf, die offen und ohne Angst über FGM sprechen.
Weibliche Genitalverstümmelung ist in der Kultur der Samburu tief verankert und sie wollen sie wahren. Es braucht deshalb generell ein Umdenken der FGM-Befürworter in den Gemeinden. „Unser Team setzt sich regelmäßig mit den Stammesführern der Dörfer, mit den Eltern und den Mädchen zusammen und erklärt die Nachteile des Rituals“, sagt Guillermo Alvarez, Priester der Pfarre Barsaloi in Samburu County und Projektleiter von „Yamural Missionaries“.
„Wir machen ihnen bewusst, dass sie sich dagegen entscheiden können. Unsere Mission ist, all jene, die diesen Weg freiwillig gehen wollen, dabei zu unterstützen. Druck auf die Samburu auszuüben, bringt nichts.“
Die „Yamural Missionaries“ arbeiten in mehr als 40 Dörfern der Region Samburu County, in der insgesamt 330.000 Menschen in Armut leben. 80 Prozent der Bevölkerung sind Hirten und halten Rinder, Ziegen und Kamele.
Als Folge des Klimawandels erlebt die Gegend die schlimmste Dürre seit mehr als 40 Jahren. Die Organisation versorgt mit Hilfe der Dreikönigsaktion die Menschen hier u. a. mit sauberem Trinkwasser, bietet Trainings für verbesserte Tierhaltung und das Anlegen von Gemüsegärten und es gibt, wie berichtet, die Projekte gegen Kinderheirat und FGM.
Zum Jahreswechsel sind wieder 85.000 Kinder und Jugendliche in ganz Österreich unterwegs, um die weihnachtliche Friedensbotschaft und den Segen für das neue Jahr zu bringen und um Spenden zu bitten.
Die solidarische Tour der Nächstenliebe reicht weit in die Welt hinaus.
Die Dreikönigsaktion, Hilfswerk der Katholischen Jungschar, unterstützt notleidende Menschen, deren Armut sich durch Klimakrise, Pandemie und Inflation dramatisch verschlimmert hat. Rund 500 Hilfsprojekte in Afrika, Asien und Lateinamerika können jährlich mit den Spenden finanziert werden.
Das Besondere an der Sternsingeraktion ist, dass Kinder und Jugendliche das Fundament der größten entwicklungspolitischen Spendenaktion Österreichs bilden.
Die Heiligen Drei Könige/innen leben einerseits den alpenländischen Brauch des Sternsingens und setzen sich andererseits für ein würdiges Leben unserer Mitmenschen im globalen Süden ein – mit Nahrung und sauberem Trinkwasser, Schulbildung und Betreuung für Straßenkinder, Schutz der Menschenrechte und Bewahrung der Schöpfung. Schwerpunkt der Sternsingeraktion 2023 ist die Unterstützung von Hirtenvölkern im nördlichen Kenia.
Infos: www.sternsingen.at
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