Wissenschaftler gehen davon aus, dass möglicherweise Fledermäuse die ursprünglichen Wirte des neuartigen Coronavirus sind. Erstmals ausgebrochen ist es wahrscheinlich auf einem Markt in der chinesischen Stadt Wuhan, wo auch Wildtiere angeboten und verkauft wurden. Welche Tierart als Zwischenwirt nun tatsächlich der Überträger auf den Menschen war, ist bislang unbekannt.
Für den Umweltmediziner Hanns Moshammer ist das ein Beispiel, „wie Menschen die Natur gebrauchen, verbrauchen und Raubbau an ihr betreiben.“ Er glaube, dass der Verlust und die höhere Verwundbarkeit von Ökosystemen durch den Klimawandel, aber auch Massentierhaltung und „das Vordringen von Menschen in Bereiche, wo früher kaum ein Kontakt bestand – wie zu Wildtieren –, das Risiko für das Überspringen von Krankheitserregern vom Tier auf den Menschen in Zukunft erhöhen können; und die Globalisierung die Verbreitung dieser Erreger befeuert.“
Global gesehen werden laut Hanns Moshammer der Klimawandel und die Luftschadstoffe, die weltweit Millionen an Toten jährlich fordern, in den kommenden Jahrzehnten „die weitaus größere Bedrohung für unsere Gesundheit sein, als jede Pandemie.“ Deshalb sei es nun wichtig, „Geld in die Hand zu nehmen auch für den Klimaschutz, für Nachhaltigkeit, für internationale Solidarität und für die Solidarität mit anderen Lebewesen wie den Tieren. Und das können wir mit gezielten Bedingungen verknüpfen“, sagt Hanns Moshammer. Die Coronakrise biete die Chance, dem fortschreitenden Klimawandel entgegenzuwirken. „Es kommt nun darauf an, wie wir wieder hochfahren. Verständlich ist, dass derzeit jeder seine Interessen gewahrt haben will. Staaten werden natürlich die Wirtschaft stützen und den Schwächsten der Gesellschaft helfen müssen. Aber es wird wichtig sein, diesen Wiederaufbau mit Nachhaltigkeitskriterien zu unterfüttern.“ Auch die österreichische Bundesregierung sei gefordert, die im Zuge der Coronakrise geplanten Unterstützungen an Klimaschutzziele zu koppeln – mit verpflichtenden Auflagen wie etwa einer CO2-Steuer. „Jetzt, quasi in der Stunde null, können wir das österreichische Volkswirtschaftssystem umgestalten. Unsere Maßnahmen gegen den Klimawandel sind enttäuschend, da liegen wir in Österreich weit hinter unseren internationalen Verpflichtungen zurück“, kritisiert der Umweltmediziner.
Hanns Moshammer verweist auch auf den Green-Deal der EU, der im Dezember 2019 vorgestellt wurde und immer noch stehe. Das Ziel dieses Konzeptes sei, bis 2050 in der Europäischen Union die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren und klimaneutral zu werden. Es gilt nun, die Punkte des Green-Deals umzusetzen. Auch die EU-Pläne für eine nachhaltigere Landwirtschaft dürfen nicht aufgeschoben werden, fordert der Umweltmediziner. „Fleisch wird zum Wegwerfen und unter Missachtung tierethischer Bedingungen produziert; die Qualität leidet darunter; und es herrscht ein Preisdruck, der weitergegeben wird.“ Zudem werde die Umwelt dadurch belastet, dass mit konzentrierter Tierhaltung und Emissionen aus der Düngemittelproduktion der Stickstoffkreislauf nicht eingehalten werden könne, erklärt Moshammer. „Die intensive Tierhaltung ist, wie schon erwähnt, auch ein Infektionsrisiko. Dazu kommt, dass mit dem Bedarf an Antibiotika man möglicherweise zusätzlich antibiotikaresistente Keime heranzüchtet. Wir müssen umdenken. Jeder sieht nur seine Interessen und möchte rasch zurück in die glückliche Zeit vor Corona – doch dieses Denken muss man unterbrechen.“
Was die Coronakrise betrifft, so war der Umweltmediziner „positiv überrascht, sowohl vom Risikobewusstsein der österreichischen Bevölkerung, als auch von der Politik, die hier einschneidende und wirksame Maßnahmen gesetzt hat.“ Ob alle Entscheidungen auch notwendig waren, werde zu prüfen sein – haben sie doch nicht nur der Natur und der Umwelt genützt, sondern vielen Menschen in ihrem Wohlbefinden, in ihrer Bewegungsfreiheit und vor allem in ihrem wirtschaftlichen Fortkommen geschadet. Der Großteil der Leute war jedenfalls sehr diszipliniert und hat die Coronaregeln eingehalten. Im Umweltbereich ist das bisher noch nicht so erfolgreich gelungen, obwohl seit vielen Jahren Klimaschützer Maßnahmen gegen den Klimawandel fordern. Ein Grund dafür könnte laut Hanns Moshammer sein, dass Ängste geschürt worden sind. „Die Corona-Risikokommunikation war wirksam. Aus Gesprächen mit Menschen habe ich mitbekommen, dass sich Leute nicht mehr aus dem Haus getraut haben.“ Gerade im Bereich Öffentliche Gesundheitspflege bestehe laut Moshammer oft das Problem, dass man reagieren sollte, bevor man den ganzen Umfang des Problems auch wirklich abschätzen könne und bevor man vollständige Informationen habe. „Es ist immer schwierig, wie klärt man auf, wie reagiert man sachlich korrekt, ohne Panik hervorzurufen.“
Der Eindruck in dieser Krise, dass sich die Natur schnell erholt und dass die Umweltschäden wie Treibhausgase vielleicht gar nicht so massiv sind, ist trügerisch und gilt für Hanns Moshammer nur teilweise. „Es gibt natürlich verschiedene Zyklen. Das Klima braucht länger, um sich zu erholen. Bei der Luftqualität kann es rasch gehen, sie kann sich aber auch rasch wieder verschlechtern.“ Manche Bilder waren auch Fake News. Delfine in den sauberen Kanälen von Venedig sind offenbar auf Sardinien gefilmt worden. „Und“, so der Umweltmediziner, „dass Wildtiere dort durchspazieren, wo Menschen plötzlich ausbleiben, wie im Shopping-Outlet in Parndorf, ist schön für die Nachrichten, aber das ist noch nicht die Erholung der Umwelt.“ «
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