Doch das Modell hatte auch einige Schattenseiten, wie Industriepfarrer Hans Finette vor 25 Jahren der Kirchenzeitung erzählte.
Anfang der 1990er-Jahre ging ein Beben durch das deutsche Wolfsburg: VW plante 30.000 seiner 100.000 Mitarbeiter:innen im Stammwerk zu kündigen. Ein Alternativkonzept mit Arbeitszeitverkürzung und Flexibilisierung konnte die Arbeitsplätze beim Autokonzern gerade noch retten. Für die Mehrzahl der Beschäftigten galt damit die Viertage-Woche bei gekürztem Gehalt.
Was zunächst nach Fortschritt aussah, hatte jedoch einige Schattenseiten. So hatte sich der Arbeitsdruck während der Schichten im Autowerk deutlich erhöht. Die Arbeitszeiten seien mehr nach dem Rhythmus der Produktion und nicht für die Menschen maßgeschneidert, wie Hans Finette, Industriepfarrer von Wolfsburg, der Kirchenzeitung erzählte. Durch häufig wechselnde Schichteinteilungen sahen sich langjährige Arbeitskolleg:innen oft wochenlang nicht, wodurch die sozialen Bindungen immer mehr ausdünnten.
„Besonders arg“, zitierte die Kirchenzeitung Finette, „schlägt diese Zerstückelung der Arbeitszeit auf die Familien durch.“ Es werde immer schwieriger, gemeinsame Freizeit zu organisieren. Hart treffe das jene Familien, bei denen beide Partner bei VW oder einem Zulieferer des Autokonzerns arbeiteten.
Die Folgen ließen sich laut Finette daran ablesen, dass die Zahl der Ehescheidungen in Wolfsburg nach der Umstellung auf das neue Arbeitsmodell um 60 Prozent gestiegen war. Negativ seien die Auswirkungen auch auf das Leben der Vereine und der Kirchen. Pfarrer Finette: „Wir erleben es häufig, daß Leute, die sich bei uns für Fortbildungskurse angemeldet haben, kurzfristig absagen müssen, weil ihre Schicht verändert wurde. Kontinuierliche Arbeit in Gruppen wird immer schwerer.“
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