Es ist Mittwoch, kurz vor 10 Uhr. Daniela Wirth betritt mit Mason auf dem Arm das Ambulatorium in St. Isidor. Die beiden haben einen Termin bei Petra Schreiberhuber: Physiotherapie steht auf dem Programm. Mason ist zwei Jahre alt und kommt gerne hierher: „Er will alles lernen und würde gerne schon alles können“, erzählt seine Mama. Sich umdrehen und sitzen lernt er gerade, laufen kann er mit Unterstützung und möchte das am liebsten den ganzen Tag tun. Das erfordert viel Kraft und Kondition – auch von seiner Mama.
Daniela Wirth erzählt, wie alles begann. Sie hatte eine ganz normale Schwangerschaft. Bei der Geburt gab es Komplikationen, Sauerstoffmangel, Notkaiserschnitt. Der kleine Mason musste einige Wochen auf der Intensivstation verbringen. Welche Beeinträchtigung er haben würde, war noch unklar. Heute weiß seine Mama, dass neben einer körperlichen Beeinträchtigung auch das Sprachzentrum betroffen ist. „Mason versteht alles, aber dass er nicht verstanden wird, das nervt ihn“, weiß seine Mama. Möglichweise hilft hier bald eine neue technische Errungenschaft – „Lifetool“ genannt – in Kombination mit Logopädie, mit beiden soll Masons sprachliche Ausdrucksfähigkeit verbesser werden.
Hier in der Physiotherapie hat Petra Schreiberhuber ein Ziel: Mason soll die größtmögliche Selbstständigkeit für sein Leben erreichen. Was braucht das Kind im Alltag? In Absprache mit den Eltern werden hier Therapieziele festgelegt. Schritt für Schritt arbeitet sie daran, Schreiberhuber dazu: „Lernen kann man nur, wenn man Spaß hat und motiviert ist. Spielerisch werden zum Beispiel auf der Matte Bewegungsabläufe geübt, immer wieder.“ Mason lacht. Er will sich bewegen, hochziehen, stehen. Auf dem „Stehbrett“, das er auch zu Hause benützt, kann er schon drei bis vier Stunden am Tag stehen. Das stärkt die Muskulatur. Gehen mit einem Rollator ist der nächste Schritt. Das Besondere am Ambulatorium: Wenn Hilfsmittel wie Rollator oder Rollstuhl benötigt werden, wird dies im Haus von allen gemeinsam organisiert. „Es ist uns wichtig, die Wege für Eltern möglichst kurz zu halten“, erklärt Schreiberhuber. Bis zum 18. Lebensjahr kann Mason hier die Physiotherapie in Anspruch nehmen. Wichtig ist dabei auch, dass andere Therapien wie Logopädie und Ergotherapie in Absprache mit den Therapeutinnen und Therapeuten erfolgen. Mehr als drei Therapien sind nicht sinnvoll, denn die Kinder leisten hier Woche für Woche viel und sind sehr gefordert.
„Mason ist ein Sonnenschein“, sagt seine Mama über ihn. Er ist neugierig, will alles ausprobieren. Statt zu greifen, nimmt er Dinge in den Mund. Wie ist das, wie fühlt es sich an? Mason erkundet die Welt auf seine Art und ist enorm geduldig. Das beeindruckt seine Mama: „Geduldig zu sein hab ich von ihm gelernt. Ich habe sehr viel von meinen Kindern gelernt, auch von Justin, Masons Bruder. Seit es Mason gibt, kenne ich das Gefühl der Gelassenheit, sie dehnt sich auf mein ganzes Leben aus.“
Der kleine Mason probiert Dinge immer wieder aus, er ist nicht genervt, wenn er zum zehnten Mal den Ball hochzuheben versucht. Er sei sehr lernwillig und auch selbstsicher, so beschreibt ihn seine Mutter. „Wenn er nicht will, lässt er sich nicht verbiegen. Er ist ,sein eigener Mensch‘“, formuliert es Daniela Wirth. Das ist auch gut so. „Lasst die Kinder wieder Kinder sein“, fordert sie.
Wenig Verständnis hat sie für verletzende und diskriminierende Reaktionen aus ihrer Umwelt. Wenn Leute neben ihr oder hinter ihrem Rücken reden, ob „so ein Leben lebenswert sei“ und „dass es in der heutigen Zeit nicht mehr sein müsse, dass behinderte Kinder auf die Welt kommen“, ist sie fassungslos. Egal, ob bei der Kassa im Supermarkt oder in der Straßenbahn, immer wieder wird sie mit Aussagen wie diesen konfrontiert. „Mason ist mein Kind. Ich liebe ihn! Er ist glücklich. Ich hab Spaß an meinem Leben, ich vermisse nichts. Sicher ist es manchmal anstrengend. Aber dass einem behinderten Kind das Lebensrecht abgesprochen wird, finde ich unglaublich.“ Eine Erfahrung, die auch die Therapeutin Petera Schreiberhuber bestätigen kann. Immer wieder erzählen Eltern von Begegnungen dieser Art. Daniela Wirth schätzt einen offenen Umgang mit dem Thema und hat auch kein Problem, wenn sie offen auf Masons Beeinträchtigung angesprochen wird: „Es gibt keine blöden Fragen.“ Nur Intoleranz duldet sie nicht, weder von Außenstehenden noch im Freundeskreis.
Im Ambulatorium der Caritas St. Isidor gehen betroffene Eltern, Kinder sowie und Mitarbeiter/innen ein und aus. Sich am Leben zu erfreuen, einander zu achten und wertzuschätzen – mit und ohne Beeinträchtigung –, das wird hier täglich gelebt. Und zwar mit allen Herausforderungen, die das Leben parat hält. «
Tipp: Die Caritas St. Isidor gibt jedes Jahr einen Kalender mit einer Beilage heraus, in der Einrichtungen von St. Isidor vorgestellt werden. Der Kalender kann kostenlos unter Tel. 0732 76 10-20 40 angefordert werden.
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