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In ihrem neuen Buch „Russland und wir“ schreiben Sie, Russland sei ein Teil Europas. Der Rest Europas scheint das häufig anders zu sehen, warum ist das so?
Hugo Portisch: Russland war früher durchaus anerkannt als Teil Europas. Unter den Zaren waren viele Deutsche wie Katharina die Große, die das Land für Einwanderer geöffnet haben. Die russischen Herrscherfamilien vermischten sich mit den deutschen Herrscherhäusern, europäische Ideen wurden offen in Russland angenommen. Aber nach der bolschewistischen Revolution und dem Kommunismus geschah eine Abtrennung, es entstand eine Freund-Feind-Beziehung zwischen Russland und dem Rest Europas. Einen besonderen Ausdruck fand das im Zweiten Weltkrieg, als Deutschland gegen Russland kämpfte. Das war eine große Zäsur, die Russland von Europa getrennt hat.
Ist eine Wieder-Annäherung ausgeschlossen?
Portisch: Das kommt darauf an, wie sich die Regierungen untereinander verhalten. Momentan ist es so, dass die Europäer in Russland eine separierte Macht sehen, ein separiertes Machtzentrum. Wenn sich Russland auch als solches verhält, wird es dauern, bis beide zusammenfinden. Russland hat aber den Anspruch, als europäischer Staat betrachtet zu werden. Eine Zeit lang sah es so aus, als würde Putin diese Zusammenarbeit suchen, eine engere Kooperation wollen. Derzeit sieht es nicht ganz danach aus, vielleicht ist die schlechte wirtschaftliche Lage ein Grund dafür.
Welchen Beitrag könnte Österreich zu einer besseren Verständigung leisten?
Portisch: Österreich ist geradezu berufen, hier als Vermittler aufzutreten. Es hat mich ehrlich gesagt erstaunt, dass sich Österreich aus dem Ukraine-Konflikt herausgehalten hat, wo es doch selbst einmal in einer ähnlichen Situation war – nämlich als es der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beitreten wollte. Österreich orientierte sich nach dem Zweiten Weltkrieg Richtung Westen, doch wollte man durch einen Beitritt nicht „den russischen Bären reizen“, wie der damalige Kanzler Julius Raab es formulierte. Ähnlich geht es der Ukraine, diese wollte einen Vertrag mit der Union eingehen und Putin hat ein Veto eingelegt, weil aus seiner Sicht die Ukraine sich nicht dem Westen anschließen darf. Solange Russland Anspruch auf die Ukraine erhebt, solange diese Gegensätze bestehen, wird sich nichts ändern. Hier hätte Österreich eingreifen können.
Wie wird sich das Verhältnis zwischen Europa und Russland Ihrer Meinung nach weiterentwickeln?
Portisch: Ich glaube, eines Tages wird Russland die Zusammenarbeit mit Europa suchen. Und Europa wird das Gefühl der Zusammenarbeit mit Russland erst entwickeln müssen. Es wird auch darauf ankommen, wie es mit China weitergeht. Die Chinesen sind für Europa vor allem wirtschaftlich eine Gefahr. Wenn China hier aggressiv agiert, könnten die Russen eine große Hilfe sein.
Welchen Stellenwert hat die Kirche in Russland und besonders für Putin?
Portisch: Während der schlimmsten Zeit des Stalinismus und des Kommunismus wurde die Kirche unterdrückt. Die Bolschewiken waren ja kirchenfeindlich eingestellt, und das hat sich bis zum Ende des Kommunismus gehalten. Für den Krieg hat Stalin den Glauben der Bevölkerung dann allerdings ausgenutzt. Er wollte, dass sie ihm und dem Krieg gegenüber positiv eingestellt ist und nutzte die Kirche als patriotische Einrichtung – eine nicht ganz neue Idee. Putin dagegen war klug genug, von Anfang an kirchenfreundlich zu sein. Er geht mit der Kirche sehr behutsam um. Er macht Gottesdienste mit, hat den Patriarchen umarmt, eine Kathedrale für die Armee eröffnet. Putin weiß, wenn er sich mit der Kirche gut stellt und diese mit ihm zusammenarbeitet, nützt ihm das. Und die Kirche unterstützt das Regime auch. «
Buchtipp
Der Russland-Kenner Hugo Portisch stellt die bewegte Geschichte mit reichem Wissen und aus eigenem Erleben dar. Informativ und kurzweilig.
Hugo Portisch: „Russland und wir. Eine Beziehung mit Geschichte und Zukunft“, 144 Seiten, 20 Euro, Ecowin Verlag
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