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Der Geruchssinn ist eng mit unseren Emotionen und Erinnerungen verknüpft. Das zeigt sich zum Beispiel, wenn einen der Duft von frischem Apfelkuchen sofort in die Kindheit zurückversetzt oder der ganz eigene Geruch eines Raumes oder Hauses an ein Erlebnis mit der Oma denken lässt. Auch negative Emotionen können mit Gerüchen geweckt werden, wenn sie mit unangenehmen (Unfall, Gewalterfahrung etc.) Erlebnissen verknüpft sind.
Gerüche beeinflussen uns oft unbewusst, spielen etwa bei der Partnerwahl eine Rolle. Forschungen haben ergeben, dass sich jene Menschen besonders anziehend finden, deren Geruch auf ein Immunsystem hinweist, das sich vom eigenen stark unterscheidet. So will die Natur erreichen, dass möglichst widerstandsfähiges Erbgut weitergegeben wird. Ein ähnliches Immunsystem wird dagegen eher vermieden, man kann sich dann sozusagen „nicht riechen“. Bei Freundschaften ist es genau umgekehrt.
Im Achselschweiß sollen beispielsweise auch Gefühle wie Angst, Frust oder Stress nachweisbar sein. Da sich dies nicht bewusst steuern lässt, wird der Körpergeruch auch als die „ehrlichste“ Art der Kommunikation angesehen. Erforscht wird unter anderem, inwiefern sich bestimmte Krankheiten am Geruch (früh-)erkennen lassen.
Im Alltag hat Riechen oft einen praktischen Sinn, es kann uns vor Gefahren warnen – man denke etwa an Brandgeruch, Gas oder verdorbene Speisen – und sorgt auch für ein gutes Maß an Lebensqualität. Ohne Geruchssinn schmecken das Essen und der Wein nach nichts, wohlige Düfte (aber natürlich auch als „schlecht“ konnotierte) werden nicht wahrgenommen. Menschen, die ihren Geruchssinn teilweise oder ganz verloren haben, berichten daher oft von Depressionen, Unsicherheit (etwa in Bezug auf den eigenen Körpergeruch), Verlust sozialer Kompetenzen, Appetitlosigkeit oder generell einer geringeren Lebensfreude. Gerade in der Coronazeit haben das viele Menschen an ihrem eigenen Leib erfahren. Schätzungen zufolge leiden bis zu 20 Prozent der Bevölkerung an sogenannten Anosmien oder Hyposmien, also dem vollständigen oder teilweisen Verlust des Geruchssinns.
Ein Mensch besitzt etwa 400 verschiedene Duftstoff-Rezeptoren. Um die Fähigkeiten der eigenen Nase besser im Alltag zu nutzen oder um nach einer Krankheit die Genesung des Geruchssinns etwas zu beschleunigen, kann man diesen auch trainieren. Dazu muss das Riechorgan regelmäßig verschiedenen Gerüchen ausgesetzt werden. Beispielsweise können einige wenige verschiedenartige Düfte ausgewählt werden, die man mit verbundenen Augen nacheinander, mit kleinen Pausen dazwischen, zu erschnuppern versucht. Es geht dabei nicht nur darum, den Geruch zu erkennen, sondern ihn bewusst wahrzunehmen und ihn sich oder einer anderen Person zu beschreiben. Ideen für Test-Duftpaletten könnten sein: reine ätherische Öle (z. B. Rose, Zitrone, Gewürznelken), verschiedenes Obst oder Gemüse, Tees und Kräuter und so weiter.
Auch ohne tägliche Tests kann man mehr aus seinem alltäglichen Sinn-Erleben herausholen, indem man die Düfte, die einen umgeben, bewusster wahrnimmt: den Duft der Straße oder einer Wiese nach einem Regenguss etwa oder das Aroma von Speisen, die man zu sich nimmt.
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