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„Lange bevor es zur Eskalation kommt, stauen sich im Täter viele Gefühle auf. Kränkungen, Stress, Provokationen, Ohnmacht – all das lässt den inneren Druck immer weiter ansteigen, bis es schließlich zum Gewaltausbruch kommt“, das hat Josef Hölzl in unzähligen Beratungsgesprächen immer wieder erfahren. Je früher man diesen Kreislauf durchbrechen könnte und würde, desto besser könnte das gelingen.
Oft fängt es bei scheinbar kleinen Kränkungen an. Es sind Bemerkungen, Ausgrenzungen, Sticheleien, gegen die man keine Worte findet, die aber einen Schmerz auslösen. „Gerade Männer können schwer über ihre Gefühle in solchen Situationen reden. Dabei würde es helfen. Man muss sich diesen Schmerz bewusstmachen und lernen, damit umzugehen“, so Hölzl. Denn Kränkungen sind – bewusst oder unbewusst – Teil jedes Lebens. Es gibt immer wieder Verwundungen. Aber es gibt genauso Schönes und Lebenswertes – und darauf sollte man seinen Fokus legen.
„Männer suchen tendenziell in allen Lebenslagen nach Kontrolle. Mit Kontrollverlust können viele nur schwer umgehen. Aufgestaute Aggressionen lösen aber genauso eine gefühlte Ohnmacht aus. Mancher Mann glaubt, dass er nicht mehr alles im Griff hat und versucht, die Situation mit Gewalt zu ändern.“ Der Satz „Das darf man sich als Mann einfach nicht gefallen lassen“ dient oft als vermeintliche Rechtfertigung. Darüber reden, das scheint für Männer – im Gegensatz zu Frauen – nur selten eine Lösung zu sein. Für Hölzl hängt dieses unterschiedliche Verhalten am ehesten mit der Sozialisation zusammen. „Frauen sind meist emotionaler und suchen andere Lösungen.“
Nicht selten kommt es genau dann zu männlicher Gewalt, wenn sich die Frau aus der Beziehung lösen möchte. Immer noch sind in vielen Familien die Frauen für soziale Kontakte und (gemeinsame) Freundschaften zuständig. Der Mann lebt eher in Arbeit und Familie und teilt (oft gerne, aber eben passiv) diese Kontakte nur. Ohne Frau und Kinder bleibt für viele Männer die Leere. Aus Angst, alles zu verlieren, reagieren manche mit Gewalt.
Sowohl Täter als auch Opfer schreiben die Gewalttätigkeit gerne dem Einfluss von Alkohol zu. „Auch, wenn der Alkohol eine Rolle spielt, so darf er doch keine Entschuldigung bieten“, stellt Josef Hölzl klar. Auch die „Reue“ nach den Schlägen ist oft keine echte Reue, sondern eine Flucht aus der Verantwortung und eine Einladung (an das Opfer) zur gemeinsamen Verdrängung.
Grundsätzlich ist anzuraten, den Druck und die Spannung, die sich vielleicht aufgestaut haben, rechtzeitig und ohne Gewalt herauszulassen. Freizeitaktivitäten, Sport, Hobbys können hier sehr hilfreich sein. „Vielleicht hat man auch gute Freunde, mit denen man sich austauschen kann und zum Beispiel über erlebte Kränkungen reden kann. Professionelle Hilfe gibt es in Beratungsstellen und bei Therapien“, so Hölzl. Für Opfer von häuslicher Gewalt gibt es viele Anlaufstellen, die Beratung und auch Schutz anbieten. „Durch die vielen Kampagnen, die es in der Zwischenzeit gibt, ist die Hürde, sich Hilfe zu holen, Gott sei Dank nicht mehr so groß. Je früher, desto besser.“
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