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In jeder Familie und Paarbeziehung gibt es kleine und große Konflikte. Manche vergehen schnell wieder, andere schwelen ständig im Untergrund. Manche betreffen den Alltag, oder es handelt sich um Verletzungen, die schon vor Jahren zugefügt wurden. „Versöhnung gelingt dort nicht, wo man sich nicht zuhört und sich nicht versteht“, sagt Karin Remsing, Ehe-, Familien- und Lebensberaterin bei der Einrichtung „Beziehungleben“.
Kommen Paare zu ihr in die Beratung und streiten, geschehe das oft in der Du-Form (z. B. „Immer/Nie machst du das“, „Das ist typisch für dich“), machen sich Vorwürfe, greifen sich an. „Durch dieses ‚Du bist‘ und ‚Du hast‘ fühlt sich der andere wie mit einer Pistole angeschossen, und was macht man, wenn man angeschossen wird? Man schießt zurück“, erklärt die Beraterin. Manche Paare schweigen sich auch nur noch an, denn „wenn ich etwas sage, weiß ich wie der andere reagiert und deshalb lasse ich es lieber.“
Was können nun Lösungen sein, wie kann man Verletzungen und Kränkungen - ob lange zurückliegend oder frisch - wieder gut machen? ? „Streitgespräche verlaufen meistens ganz schnell, wie Pingpong, deshalb braucht es eine Verlangsamung des Gesprächs“, erklärt Remsing. Es gibt eine:n Zuhörer:in und eine:n Sprecher:in. Die eine Person hört aufmerksam und ohne zu unterbrechen zu, während die andere erzählt, wie sie etwas erlebt hat, was sie dabei gefühlt hat oder jetzt fühlt, spricht aus, worum es bei der Kränkung eigentlich geht. Dazu werden die Sätze in der Ich-Form formuliert. „Die Person spricht so lange, bis der ganze Schmerz draußen ist“, sagt Beraterin Karin Remsing.
Dabei ist es wichtig, bei einem Thema zu bleiben. Das Gegenüber hört so zu, dass sich die andere Person verstanden fühlt. Im Idealfall kann sie annehmen, dass sie etwas falsch gemacht hat, erkennt die Verletzung der anderen Person an und spricht wenn möglich eine Entschuldigung aus. „Derjenige, der um Verzeihung gebeten wird, muss sich überlegen, ob er verzeihen kann, ob er loslassen kann“, sagt Remsing.
Meist geschieht das nicht von heute auf morgen, sondern braucht Zeit. „Und Mut“, betont die Beraterin: „Es muss die Bereitschaft da sein, den anderen verstehen zu wollen und nicht nur die eigene Wahrheit als die einzige anzusehen. Man muss auch den Mut haben, von den eigenen Gefühlen und Verletzungen zu sprechen. Und auf der anderen Seite den Mut zum Zuhören zu haben, sagen zu können: ‚Da bin ich schuldig geworden, hoffentlich kannst du mir verzeihen.‘“
Geht es um vermeintliche Kleinigkeiten, die Ärger verursachen, wie etwa Aufgabenverteilung im Haushalt, so gibt es oft Hemmungen, diese offen anzusprechen – denn was sind diese schon gegen die Weltkrisen. „Das Problem ist, dass man diese kleinen Verletzungen sammelt und in die innere Tiefkühltruhe steckt. Das häuft sich über die Jahre an und irgendwann gibt es einen Auslöser, wo diese kleinen Dinge plötzlich zum Riesenproblem werden“, sagt Karin Remsing. Deshalb sollte auch hier die vorhin beschriebene Methode angewandt werden – einer spricht, der andere hört zu. Ein Beispiel: „Wenn ich immer den Müll hinaustragen muss, fühle ich mich ausgenutzt und wenig unterstützt.“
Auch wenn es nicht leicht ist, wie Karin Remsing sagt, sich auf dieses Ansprechen der sowohl großen als auch kleinen Dinge einzulassen, mit dem Willen und dem Mut, Gefühle zu artikulieren und Fehler anzuerkennen, kann heilsam sein. Und ein Weg zur Versöhnung zwischen zwei Menschen und innerhalb der Familie.
Fachtagung „Die Kraft der Versöhnung“, 7. 11., 9–17 Uhr, Bildungshaus Schloss Puchberg, Infos: Telefonseelsorge OÖ, 0732 731313, telefonseelsorge@dioezese-linz.at
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