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Durch schmerzhafte Lebensphasen zu gehen, kostet viel Kraft, sagt Brigitte Krautgartner. Die Krebsdiagnose ihres Partners beschreibt sie in ihrem Buch als Todesurteil, nicht nur für ihn, sondern auch für ihr eigenes Leben, wie es bisher gewesen war. Gerade weil das so ist, sei es besonders wichtig, sich so früh wie möglich Hilfe zu suchen, sagt Krautgartner: „Wir haben sofort geschaut, wo wir Unterstützung bekommen, bei der Krebshilfe, dem mobilen Hospizteam, der Telefonseelsorge, Selbsthilfegruppen.“ Krautgartner empfiehlt zudem, sofort am Arbeitsplatz Bescheid zu sagen, damit Chef/in und Kolleg/innen wissen, warum man sich anders verhält als sonst, vielleicht unkonzentriert ist oder häufig das Telefon läutet.
„Sofort aktiv zu werden gibt einem das Gefühl, etwas verändern zu können“, weiß Krautgartner. Dazu gehört auch, herauszufinden, was jetzt getan werden muss und was erst später. „Im Idealfall hat man einen Menschen an seiner Seite, der sich mit so einem Prozess auskennt. Der einem sagen kann, wie ich mich auf eine Befundbesprechung vorbereite, wann es sinnvoll ist, eine Patientenverfügung zu machen, oder welcher Umbau im Haus notwendig ist, damit sich die kranke Person mit einem Rollstuhl leicht bewegen kann.“ Was in Ruhe und nach reiflicher Überlegung rechtzeitig geregelt werde, bringe im Ernstfall eine wesentliche Entlastung, schreibt Krautgartner in ihrem Buch.
Gerade in schwierigen Lebensphasen ist das Pflegen der persönlichen Kraftquellen von großer Bedeutung. „Man kommt in Versuchung zu sagen, der Tanzabend, das Kartenspielen oder der Theaterbesuch sind ja nicht wichtig. Doch besonders jetzt sollten Sie nach freudvollen Momenten suchen“, spricht Krautgartner aus eigener Erfahrung. „Wenn möglich, genießen Sie vieles mit der erkrankten Person, aber suchen Sie bewusst auch diese Momente für sich allein. Dabei müssen Sie kein schlechtes Gewissen haben. Ein festliches Abendessen oder das Singen in einem Chor kann stärkend wirken, und diese Stärke brauchen Sie für den kranken Menschen.“
Auch die Spiritualität kann eine solche Kraftquelle sein. Doch gerade bei Schicksalsschlägen fragt man sich als gläubiger Mensch mitunter: Warum ich? Warum tut Gott mir das an? Krautgartner hält nichts davon, Gott zu einem „willkürlich agierenden Folterknecht hochzustilisieren“ und sich althergebrachte Floskeln wie „Es war Gottes Wille“ anzuhören: „Suchen Sie sich einen guten Seelsorger, jemanden mit einer pastoralpsychologischen Ausbildung, und sprechen Sie mit dieser Person. Oder suchen Sie sich Menschen, die Krisen mit Gott oder spiritueller Einbindung überwunden haben.“ Einen geliebten Menschen zu verlieren, sei keine Strafe Gottes, sondern gehöre zu unserem Leben auf diesem Planeten, sagt Krautgartner.
Noch vor dem endgültigen Abschied habe sich Krautgartner einen „Notfallmedizinkoffer an Momenten“ zugelegt, der beim Trauern helfe wie Aspirin bei Kopfweh. „Das sind Erinnerungen an die schöne gemeinsame Zeit, Textzitate, ein Buch, das mein Partner gern gelesen hat, oder das gemeinsame Singen in unserem Chor.“ Gleichzeitig mit dem Erinnern sollte man jedoch nicht den Blick für das Schöne im Alltag und die Zukunft zu verlieren. „Gut ist, wenn neben der Trauer auch eine neue Perspektive da ist – ein neuer Partner, eine Ausbildung, eben etwas, was mich lockt zum Weiterleben und Entdecken.“«
Brigitte Krautgartner: Hinter den Wolken ist es hell. Von Krankheit und Abschied und dem Glück des Neubeginns, Tyrolia Verlag, 168 Seiten, € 19,95
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