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Niemand außer den Bestattern war da, als Adele B. am Wiener Zentralfriedhof beerdigt wurde: keine Angehörigen, keine Nachbarn, kein Vertreter einer religiösen Gemeinschaft.
Und dennoch wurde der 97-jährig Verstorbenen Respekt gezollt: Der Sarg war schlicht, aber würdig. Auf ihm lag ein kleiner Blumenstrauß, um ihn standen in der Aufbahrungshalle Kerzen. Beim Hinaustragen erklang Musik und die Träger verneigten sich zum letzten Gruß, nachdem sie den Sarg in die Grube gelegt hatten.
Es ist elementares Mindestmaß menschlicher Kultur, dass Menschen bestattet werden, nachweisbar seit etwa 90.000 bis 120.000 Jahren: Zu den ältesten Bestattungsorten zählen die Qafzeh- und die Skhul-Höhle im heutigen Israel. Wie wichtig dieser Dienst am Verstorbenen den alten Griechen war, berichtet das Drama „Antigone“ des Sophokles: Die Titelfigur bestattet gegen strenge königliche Anordnung ihren Bruder und wird dafür hingerichtet: Sie stellt die Bestattungspflicht als ewiges Gesetz über menschliche Verbote: „Auch glaubt ich nicht, dass das von dir Erlassne / so große Macht besäße, dass, wer sterblich ist, der Götter ungeschriebne / und ewig gültige Gesetze könnte setzen außer Kraft.“
In der konkreten Ausführung kennt die Bestattung von Toten viele Varianten: Wir kennen seit der Steinzeit Hockergräber, den ägyptischen Totenkult, Bestattungen in Bäumen bei manchen nordamerikanischen Ureinwohnern, die Verbrennung der Toten bei den Römern, die Grabbeigaben im Gräberfeld auf dem Hallstätter Salzberg und vieles mehr.
Der Umgang mit Sterben und Tod ist kulturell unterschiedlich: Im Judentum wird an sich schon am Tag nach dem Tod beerdigt, dafür folgt dann eine ganze Trauerwoche (Schiv’a). In ländlichen Gebieten Mitteleuropas gibt es dagegen auch das zum Teil mehrtägige Aufbahren des Toten im Rahmen der Totenwache zu Hause. In Österreich stehen heute Wissen und Praxis der Bestatter:innen im nationalen Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes.
Der Ablauf einer Bestattung hängt unter anderem von der Bestattungsart (Erdbestattung, Feuerbestattung), der religiösen Prägung, aber auch regionalen Gebräuchen ab. Aus New Orleans sind die Begräbnisse mit Jazzmusik bekannt: Auf dem Weg zum Friedhof mit trauriger Musik, am Rückweg wird diese dann bewusst schwungvoller. Einen Hauch von Volksfest hat das Totengedenken am Día de los Muertos in Mexiko.
Aber auch in Österreich kann die Zehrung („Leichenschmaus“) mit heiteren Erinnerungen an den oder die Verstorbene:n einhergehen. Dabei hat die Zehrung als Mittel der Trauerverarbeitung an Ansehen eingebüßt. Nicht wenige Menschen finden es aufgrund der heute oft „privatisierten“ Trauer schwierig, nach einer Beerdigung gemeinsam zu essen und zu trinken. Dies zeigt, dass sich die „Praxis“ der Trauer auch innerhalb derselben Kultur mit der Zeit wandelt. Manchmal wird dabei die Bedeutung von Trauerritualen unklar.
So weist der deutsche Historiker und Trauerforscher Reiner Sörries in seinem Buch „Herzliches Beileid. Eine Kulturgeschichte der Trauer“ zum Beispiel darauf hin, dass das Nachwerfen von Erde in das Grab als symbolisches Zuschaufeln ursprünglich ein Trennungsritual ist.
„Weil dieses Ritual von vielen Trauernden als schmerzlich empfunden wird, ist man dazu übergegangen, den Erdwurf durch einen Blumenwurf zu ersetzen oder diesen zumindest alternativ anzubieten. Damit hat man aber den Charakter eines Trennungsrituals zugunsten eines Bleiberituals aufgegeben.“
Obwohl Europa christlich geprägt ist, haben manche Trauerrituale keinen christlichen, sondern einen abergläubischen Hintergrund: Dass Tote mit den Füßen voran aus dem Haus getragen werden, soll ihm laut Sörries in der ursprünglichen Bedeutung den Blick auf das nehmen, was hinter ihm liegt. „Dadurch soll verhindert werden, dass er in Eifersucht auf das, was er zurücklässt, zum Wiedergänger wird.“ Das Verhängen von Spiegeln sollte verhindern, dass die scheidende Seele verwirrt wird und den Weg hinaus (Ritual des Fensteröffnens) nicht findet.
Während die christliche Bestattung eine Glaubensaussage für die Zukunft bietet, ist die Lage bei religionslosen, humanistischen oder atheistischen Bestattungen etwas anders. Eine Ansprache gibt es aber oft auch hier. Sie verweist zum Beispiel auf die Lebensleistung des Verstorbenen zum Wohle anderer. Genau betrachtet bedeutet das aber, auch hier wird Trost darin gesucht, dass von der verstorbenen Person etwas „bleibt“.
So sollen Bestattungen – zumindest im westlichen Kulturkreis – einerseits eine Hilfe sein, mit Verlust und Trauer zurechtzukommen. Andererseits sind sie eine Antwort auf die erlebte Endlichkeit aller Menschen – auch der eigenen.
Die Antwort christlicher Bestattungen ist der Verweis auf die verheißene Auferstehung. Oder, wie es in der Präfation der Totenmesse heißt: „Denn deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen.“
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