Wort zum Sonntag
Sich selbst wertschätzen – was das bedeutet, war Mayra Magalí Carreto Rivera lange Zeit nicht bewusst. Von klein auf wurde sie diskriminiert und gedemütigt. Zuerst in ihrer Ursprungsfamilie, später von ihrem Ehemann. Häusliche Gewalt mit Schlägen und Erniedrigungen gehörten zum Alltag. Vor fünf Jahren kam es plötzlich zu einer Veränderung der Lebenssituation. Treibende Kraft war ihre Schwiegermutter. Sie ermahnte ihren Sohn, wenn er nicht aufhöre, seine Frau zu misshandeln, müsse er das Haus verlassen. Mayra und ihre drei Kinder hingegen würden auf jeden Fall bleiben.
Mayras Qualen und Leiden durch ihren Mann hörten auf. Und wie bei einer Kettenreaktion wandelte sich ihr von Armut geprägtes Leben ebenfalls Schritt für Schritt zum Besseren. Auch in diesem Fall war es ihre Schwiegermutter, die dazu beigetragen hat. Als Teilnehmerin am Projekt des Frauenvereins AMOIXQUIC hat sie Mayra eingeladen, mit ihr dort mitzumachen. Anfangs musste sie ihre Schüchternheit überwinden, doch schon bald hat sie sich geöffnet.
Im westlichen Hochland Guatemalas leben hauptsächlich indigene Völker wie die Maya als Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Auch Mayra und ihre Familie gehören dieser Bevölkerungsgruppe an. Von Gewalt, von der Ungleichheit der Geschlechter in einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft, von Diskriminierung und Armut sind in dem zentralamerikanischen Land mit etwa 17,9 Millionen Einwohnern generell die Frauen, vor allem aber jene der indigenen Völker, am stärksten betroffen. Tiefe Wunden hinterlassen hat auch der blutige Bürgerkrieg, der 36 Jahre lang wütete (1960–1996). Opfer des Konflikts waren großteils Angehörige der Ethnie der Maya. Man wollte die indigene Mehrheit, die es damals in der Bevölkerung noch gab, unterdrücken und sie zum Teil durch geplante Massaker auslöschen.
All diesen Problemen versucht die Organisation AMOIXQUIC entgegenzuwirken, indem sie seit 1997 Frauen in der Hochland-Region unterstützt. Ziele sind, sie in ihrem Selbstwert und ihrer kulturellen Identität zu stärken, sie zu ermutigen, sich selbst für ihre Rechte einzusetzen und ihnen dabei zu helfen, finanziell unabhängig zu sein. „Es braucht einen Wandel dieser Situation. Wir wollen die Frauen dazu bringen, dass sie ihr Selbstbild und ihre Selbstwertschätzung verändern. Ihnen wird von klein auf beigebracht, dass sie keine eigene Meinung haben dürfen und dass sie auf den Ehemann hören müssen. Den Frauen wird die Mitsprache über den Einsatz der finanziellen Mittel und die Mitsprache über die Nutzung der Landflächen verwehrt“, sagt Julia Cajas Lima, Projektleiterin von AMOIXQUIC. Das sei eine schwierige Situation, meint die Projektpartnerin der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (kfbö), denn besonders jetzt während der Corona-Pandemie haben die Gewalt gegen Frauen und die Frauenmorde stark zugenommen.
Einen Wandel brauchte es laut Julia Cajas Lima auch in Richtung ökologische Landwirtschaft. Daher spielt das Konzept der Agrarökologie eine wichtige Rolle, denn es stärkt den kleinbäuerlichen Landbau, macht unabhängig von externen Betriebsmitteln und verbessert so das Leben der Familien. Erreicht wird dadurch ein sozial gerechtes, ökologisch nachhaltiges Agrar- und Ernährungssystem. Im Zentrum stehen der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und ein intakter natürlicher Kreislauf von Boden, Pflanzen, Tier und Mensch. Julia Cajas Lima erklärt, „dass genau diese Aspekte bei der traditionellen indigenen Maya-Kultur unserer Großeltern eine Rolle spielten. Damals war ihre Gedankenwelt noch ein bisschen anders. Das gute Leben sah so aus, dass man zwar nicht viel, aber genug zum Leben hatte. Und die Umwelt wurde wertgeschätzt.“
Durch die Landwirtschaft heute mit zum Teil genmanipuliertem Saatgut und riesigen Monokulturen wird der Boden ausgelaugt und die Umwelt geschädigt. Beim Modell der Agrarökologie hingegen baut man verschiedene Pflanzenkombinationen wie Mais, Bohnen und Kürbisse nebeneinander an, die sich gut ergänzen, eine Symbiose bilden und zudem Schutzräume für Tierarten bieten. Dieses Landwirtschaftssystem der Maya nennt sich Milpa. „Diese bunte Vielfalt an Obst- und Gemüsesorten, die es einst gab, versuchen wir nun wieder vermehrt zurückzugewinnen und das Wissen der Maya-Landwirtschaft unserer Vorfahren zu nutzen und anzuwenden“, erzählt Julia Cajas Lima.
Mayra hat es geschafft – gestützt und gestärkt durch ihre Schwiegermutter und durch die Frauen bei AMOIXQUIC. Sie hat nun einen kleinen Garten in San Isidro Ixcolochil. Dort pflanzt sie selber gesundes Gemüse für ihre Familie an – Karotten, Brokkoli, Tomaten, Knoblauch, Koriander, Petersilie, Spinat, Mangold, rote Rüben und Heilkräuter. Mayra weiß jetzt, wie man umweltfreundlich düngt, Schädlinge natürlich bekämpft, Anbauflächen nachhaltig bestellt und Seife selber erzeugt. Durch den Verkauf von Gemüse und Seife wächst ihr eigenes Einkommen. Da das herkömmliche Bankensystem für Frauen in Guatemala nicht zugänglich ist, legt sie einen Teil ihres Geldes in einer örtlichen Spargruppe an. Mayra und viele der anderen Frauen investieren dieses Geld u. a. auch in die Bildung ihrer Kinder. Bei den regelmäßigen Workshops und Treffen hat Mayra viel gelernt. Durch den Austausch mit den Frauen kennt sie nun ihre Rechte, ihr Selbstwertgefühl ist gewachsen und die Angst, die eigene Meinung zu vertreten, gehört der Vergangenheit an.
Julia Cajas Lima liebt die Arbeit mit den Frauen. „Es ist wunderbar den Wandel in den Frauen beobachten zu können – wie sich ihre Gedanken drehen, wie sie ein Selbstbewusstsein aufbauen und eine Wertschätzung für sich selbst entwickeln.“ Manche der Frauen haben sie gefragt, warum z. B. Geschlechtergerechtigkeit nicht in der Schule gelehrt werde. „Darauf muss ich leider immer noch antworten: Nach wie vor gibt es die Unterdrückung der Frau durch den Mann und das nicht Anerkennen unserer indigenen Kultur, damit wir Angst haben und unsere eigene Identität nicht entfalten. Deshalb wünsche ich den Frauen und mir selber das gute Leben, das wir suchen, das wir brauchen. Und dieser Aspekt des guten Lebens soll nicht fremd-, sondern selbstbestimmt sein.“ «
Dieser Ausgabe liegt ein Spendenzahlschein der Katholischen Frauenbewegung bei.
Zur Sache
Jedes Jahr wirbt die entwicklungspolitische Aktion „Familienfasttag“ der Katholischen Frauenbewegung (kfbö) in der Fastenzeit mit traditionellen Benefizsuppenessen in den Diözesen und Pfarren um Spenden für Hilfsprojekte in aller Welt. Da die Zusammenkünfte wegen der Corona-Pandemie heuer nicht stattfinden können, startete die kfbö am Aschermittwoch (17. Februar) eine „Mitmach-Kampagne“ unter dem Titel „Sei Köchin des Guten Lebens“. Teilnehmerinnen können das Rezept ihrer Lieblingssuppe mit einem Foto auf www.teilen.at hochladen und erzählen, wie diese Suppe zum Guten Leben beiträgt. Entstehen soll eine Rezeptsammlung mit Statements und Geschichten, die die Unterstützerinnen des Familienfasttags in den sozialen Medien teilen und auf die Spendenaktion aufmerksam machen können. Außerdem werden von der kfbö „Suppe to go“ bzw. „Suppe im Glas“ organisiert, um die Spendeneinbußen so gering wie möglich zu halten.
Guatemala ist heuer Schwerpunktland des „Familienfasttags“. Nach den Corona-bedingten Einbußen beim Sammelergebnis schon 2020 gelte es, die von der Pandemie ebenfalls stark betroffenen Projektpartnerinnen in den Ländern des Südens nicht im Stich zu lassen, so die kfbö.
- Infos unter: www.teilen.at
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