Christian Landl ist Diakon und Seelsorger in den Pfarrgemeinden Schörfling, Weyregg und Steinbach am Attersee.
Nach dem Ukrainekrieg wird es nicht einfach sein, Vertrauen zwischen den Gegnern aufzubauen. Der österreichische Militärbischof Werner Freistetter hofft dennoch, dass bald eine Lösung gefunden wird, die „keinen jahrelangen, bitteren Partisanenkrieg zur Folge hat“. Wie das aussehen kann, sei schwer zu sagen. Es müsse „die Eigenstaatlichkeit und Souveränität
der Ukraine respektiert werden“.
Vordringlich ist für Bischof Freistetter, „dass man die Frage der Atomwaffen mit gegenseitigen Abkommen und echten Informationen wieder in den Bereich des Vertrauens bringt. Man muss jede Form von Missverständnissen vermeiden, damit die Situation nicht eskaliert“. Dafür sieht er erste Anzeichen: Die Generalstäbe der USA und Russlands seien im direkten Austausch, um Missverständnisse auszuräumen.
Einen Atomkrieg zu vermeiden, sieht auch der Religionsphilosoph und Theologe Kurt Appel als „höchstes Muss“. Dafür wäre es wichtig, „nicht alle Gesprächskanäle zu Russland zu schließen“. Die imperiale Logik, die von Präsident Putin ausgeht, erschüttere derzeit Europa. „Ich bin trotzdem immer ein wenig skeptisch, wenn man in einer totalen Schwarz-Weiß-Logik landet.“ Man solle nicht in eine reine Kriegsstimmung gegen Russland verfallen. „Ist Gas aus Katar viel moralischer?“, fragt der Theologe. „Katar ist einer der schlimmsten Unterstützer fundamentalistischer Bewegungen, die tausende Todesopfer in Nordafrika schaffen.“
Zum Verhältnis von Krieg und Gewaltfreiheit meint Kurt Appel, dass das Ideal der Gewaltfreiheit Denken und Handeln ausrichten solle, dass man daraus aber keinen moralischen Imperativ machen könne. Es gehe nicht um Wehrlosigkeit. „Selbst die Aufforderung Jesu, die andere Backe hinzuhalten, hat eine subversive Bedeutung: Wenn man nämlich auf die rechte Backe geschlagen hat, hat man das mit dem Handrücken gemacht und musste den anderen dabei nicht anschauen. Wer die zweite Backe hinhält, provoziert Blickkontakt. Wenn der Täter sich mit dem Unheil, das er anrichtet, konfrontieren muss, kann die Logik der Gewalt durchbrochen werden. Das kann manchmal vielleicht auch Mittel der Gewalt erfordern.“
Ähnlich sieht es der Politikwissenschaftler und ehemalige Pazifist Thomas Schmidinger. Fast alle Religionen würden sich mit der Frage befassen, wann man das Recht habe, sich gewaltsam zu verteidigen. „Wann habe ich die Pflicht, Schwächere zu verteidigen? Jemanden gewaltsam in Schutz zu nehmen gegen einen gewaltsamen Angreifer? Manchmal ist es notwendig, dass die Menschen, die Menschenrechte verteidigen, besser bewaffnet sind und besser schießen können, damit sie einen Krieg gewinnen gegen Menschen, die alle Menschenrechte mit Füßen treten.“ Problematisch würde es immer dann, wenn sich Religion mit politischer Macht verbündet und zum Instrument von Herrschaft wird. Das treffe auf Kyrill I. zu, Waffensegnungen gäbe es aber auf beiden Seiten. Und: „Auch katholische Priester haben im I. Weltkrieg auf allen Seiten der Front die Waffen, die dann gegeneinander gerichtet wurden, gesegnet.“
Christian Landl ist Diakon und Seelsorger in den Pfarrgemeinden Schörfling, Weyregg und Steinbach am Attersee.
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