Wort zum Sonntag
„Möchten Sie, dass das Bischofsamt noch relevant bleibt? Wenn ja, dann ist das hier Ihre letzte Chance.“ Es mochte provokant sein, was eine junge Delegierte bei der Vollversammlung den Bischöfen entgegenhielt – vor allem aber ist es wahr: Wollen Bischöfe künftig in der Gesellschaft und unter den Gläubigen ernst genommen werden, so müssen sie sich dem Heute stellen und Veränderungen in der Kirche nicht nur zulassen, sondern mit Augenmaß betreiben. Der Mehrheit der deutschen Bischöfe kann man es hoch anrechnen, dass sie den ersten Schritt in die richtige Richtung getan haben: Sie haben den Synodalen Weg ermöglicht – einen auf zwei Jahre angelegten Gesprächsprozess, der zwar die großen Missbrauchsskandale zum Auslöser hat, aber deutlich über das Thema hinausgeht. Die Themenschwerpunkte sind: Macht und Gewaltenteilung in der Kirche, gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag, priesterliche Existenz heute, Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche, Leben in gelingenden Beziehungen, Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft. Diese Schwerpunkte sind zu begrüßen, weil es um genau die Themen geht, bei denen viele Menschen die Kirche heute abgeschrieben haben. Dass der Papst das Thema Evangelisierung angeregt hat (was von den Reformgegnern mit Eifer betont wurde), ist kein Einwand: Das ist immer und überall Auftrag der Kirche. Nur muss diese zuerst ihre Hausaufgaben machen, um wieder eine ernst zu nehmende Stimme in der Gesellschaft zu werden. Vor allem ist dem deutschen Synodalen Weg zu wünschen, dass er erfolgreicher wird als der einstige Dialog für Österreich. Der Druck ist heute jedenfalls deutlich höher als damals und manche deutsche Bischöfe dürften begriffen haben, dass es nicht wie bisher weitergehen kann.
Aber es gibt auch die anderen – und die lieferten rund um die erste Vollversammlung Stellungnahmen ab, die zum Teil Karikaturen eines angezählten Klerikalismus waren: Der Kölner Kardinal Rainer Maria Wölki kritisierte zum Beispiel, dass beim Synodalen Weg Kleriker und Laien auf Augenhöhe miteinander diskutieren: Die hierarchische Verfasstheit der Kirche werde in Frage gestellt. Es sei „quasi ein protestantisches Kirchenparlament“, ätzte er – offenbar ohne die Abwertung der evangelischen Schwesterkirchen in seinen Worten zu bemerken. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer stellte in seinem Redebeitrag gar die Wissenschaftlichkeit der großen deutschen Missbrauchsstudie (MHG-Studie) in Frage. Natürlich ist die den Reformgegnern unbequem, weil dort ein heikles Thema angesprochen wird: Der verpflichtende Zölibat könnte auch sexuell unausgereifte Menschen, also potentielle Missbrauchstäter, ins Priesteramt locken. Aber bitte, Herr Bischof Voderholzer, vermuten Sie dahinter keine kirchenpolitische Finte: Der Zölibat hat einen hohen Wert, wenn er frei und geprüft gewählt wird. Für das Priesteramt notwendig ist er nicht.
In einer noch einmal ganz anderen Liga spielt ein Bischof, der gar nicht in den Synodalen Weg eingebunden ist: Der von Papst Franziskus ins Abseits gestellte frühere Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Er griff in die unterste Schublade und verglich den Synodalen Weg mit dem Ermächtigungsgesetz, das den Nazis 1933 den Durchgriff auf den deutschen Staat und die Verfolgung und Knechtung ihrer Gegner ermöglichte. Einmal von der Verharmlosung des Nationalsozialismus abgesehen, darf man sich der Einschätzung des Jesuiten Bernd Hagenkord, einem der Begleiter des Synodalen Wegs, anschließen: Was Müller hier tut ist nicht mehr konservativ (bewahrend), sondern zerstörerisch. Vielleicht liegt ein Fehler, der in der katholischen Kirche bei Debatten seit Jahrzehnten gemacht wird, darin, praktisch hinter jeder Wortmeldung einen guten Willen zu vermuten. Um nicht falsch verstanden zu werden: Es gibt viele konservative Menschen in der Kirche, an deren besten Absichten niemand zweifeln sollte. Das trifft fraglos auch auf manche deutsche Bischöfe zu. Aber offensichtlich gibt es auch jene, die ganz andere, dunkle Spiele spielen. Kann man Kardinal Gerhard Ludwig Müller angesichts seiner Wortwahl noch einen guten Willen unterstellen? Wohl kaum.
Wort zum Sonntag
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