Wort zum Sonntag
Die Kirchenzeitung hat Communio-Schriftleiter Jan-Heiner Tück gefragt, was dahintersteckt.
Mit Jahreswechsel trat zur gedruckten theologischen Fachzeitschrift Communio die tagesaktuelle Seite communio.de. Was war der Anlass dieser Neuerung?
Jan-Heiner Tück: Wir haben eine Lücke in der digitalen Landschaft gesehen. Es fehlte im deutschsprachigen Spektrum bislang eine weltkirchlich orientierte, kultursensible katholische Stimme. Das erfreuliche Echo der ersten Wochen hat unsere Sicht bestätigt.
Der Standort bestimmt die Perspektive: Nach meiner Wahrnehmung ist communio.de theologisch-kirchenpolitisch eher ein konservatives Organ. Was erwidern Sie mir?
Tück: Ich warne vor einer einseitigen Optik. Communio ist thematisch breit aufgestellt. Wir kümmern uns um die biblischen Wurzeln, haben Kulturbeiträge und nehmen zu politischen Entwicklungen Stellung. Natürlich gibt es auch pointierte Essays zu Theologie und Kirche. Gegenüber dem Synodalen Weg in Deutschland haben wir einige Anfragen.
Der Brief des Papstes von 2019, der für einen Primat der Evangelisierung wirbt, wurde in Deutschland einseitig rezipiert, man hat sich auf die Aufarbeitung des Missbrauchs fokussiert – und daraus weitgehende Reformforderungen abgeleitet, die teils nur weltkirchlich entschieden werden können. Nun hat die Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche in Deutschland ähnlich hohe Fallzahlen zutage gebracht, obwohl es hier flache Hierarchien, kein Zölibat und auch Frauen in Ämtern gibt. Das bedeutet, dass das Grundnarrativ des Synodalen Weges, das aus der MHG-Missbrauchsstudie direkte Reformen ableitet, noch einmal zu überdenken ist.
In diesem Sinne lassen sich die Beiträge der Kardinäle und Mitherausgeber Walter Kasper und Christoph Schönborn auf communio.de lesen, deren Deutlichkeit viele überrascht hat.
Ist communio.de also auch eine Antwort auf den mehrheitlich progressiven Diskurs in der deutschsprachigen Theologie?
Tück: Ich bin kein Freund kirchenpolitischer Schablonen. Aber klar, die Zeitschrift Communio ist in dem Sinne konservativ, dass sie von den biblischen Wurzeln und den großen Traditionsangeboten der Theologie her in die Gegenwart hineinspricht. Sie unterscheidet sich damit, um es einmal unverblümt zu sagen, von eher zeitgeistaffinen Deutungsangeboten.
Ihre persönliche Deutung des Synodalen Weges scheint mir, wenn ich Ihre Stellungnahmen lese, sehr kritisch zu sein. Was ist Ihre Hauptkritik?
Tück: Zunächst ist mir wichtig, dass ich den Synodalen Weg dort, wo es um die effektive Aufarbeitung des Skandals des Missbrauchs und seiner Vertuschung geht, entschieden unterstütze. Weg vom Täter-, hin zum Opferschutz! Ich teile auch das Anliegen, das Bischofsamt stärker synodal einzubetten.
Probleme habe ich aber damit, wenn vor Abschluss des Synodalen Prozesses der Weltkirche ein paritätisch von Laien und Bischöfen besetztes Leitungsgremium geschaffen werden soll, das über den künftigen Weg der Kirche in Deutschland entscheiden soll.
Die „freiwillige Selbstbindung“ der Bischöfe an volatile Mehrheitsentscheidungen führt leicht in Loyalitätskonflikte. Durch ihre sakramentale Weihe sind die Bischöfe bereits gebunden – nämlich an das Kollegium der Bischöfe, das mit dem Papst für die Leitung der Gesamtkirche verantwortlich ist.
Wenn sich die Bischöfe – oft durch medialen Druck verstärkt – zugleich an Gremienbeschlüsse mit radikalen Forderungen binden, führt das zu Zerreißproben. Außerdem gibt es Anfragen an die Repräsentation und theologische Legitimation solcher gemischten Gremien. Hier hat Communio durchaus die Absicht, eine erkennbar andere Perspektive einzubringen.
Ist das zentrale Thema, über das wir hier sprechen, nicht eigentlich, was es bedeutet, wenn das Glaubensbekenntnis die Kirche als apostolisch bezeichnet?
Tück: Die Apostolizität erinnert daran, dass das Amt in der Kirche nicht auf Wahl oder Delegation, sondern auf Ruf und Berufung basiert. Das ist heute ein provokanter Gedanke, der an die sakramentale Verfassung der Kirche erinnert.
Jeder Getaufte ist berufen, den Glauben zu bezeugen. Aber in der Gemeinschaft der Kirche kommt den Bischöfen der Dienst der Leitung zu. Dieses Amt wird ihnen sakramental übertragen – und sie können das nicht einfach delegieren.
Die moralische Autorität ihrer Amtsführung wächst aber, wenn sie die Expertise kompetenter Laien einholen. Das Konzil hat bereits Formen synodaler Beteiligung auf den Weg gebracht. Dabei sollte man die Anstöße zu einer Spiritualität der Laien nicht überlesen: Ihre primäre Berufung ist es, dem Evangelium in den komplexen modernen Gesellschaften ein ansprechendes Gesicht zu geben.
Aber diese Aufgabe der Laien mündet, wenn ich Sie richtig verstehe, nicht in demokratischer Mitbestimmung.
Tück: Kirche und Politik sind in ausdifferenzierten modernen Gesellschaften unterschiedliche Systeme mit unterschiedlichen Logiken. Klar, der Wandel von feudalen zu demokratischen Gesellschaften verändert auch die Kirche, aber diese funktioniert nicht einfach wie eine Demokratie.
In der Demokratie bildet die Volkssouveränität die Basis, die Kirche aber kommt von Christus her und hat einen sakramentalen Ursprung. Jesus selbst ist nicht zum Messias gewählt worden, auch die Apostel hat er nicht wählen lassen, sondern sie berufen.
Die göttliche Gnade geht dem menschlichen Wirken immer voraus. Die hörende, lernbereite, inklusive Kirche, die synodal unterwegs ist, stärkt zwar ein demokratieaffines Element in der Kirche. Das ändert aber nichts daran, dass nach einer Konsultation aller beteiligungswilligen Gläubigen die Bischöfe mit dem Papst die finalen Beschlüsse treffen.
Führt diese Situation nicht zu einer Entfremdung vieler heutiger, demokratisch sozialisierter Menschen von der Kirche?
Tück: Ich selbst bin überzeugter Demokrat und kämpfe gegen die Demokratiemüdigkeit. Aber zugleich bin ich Katholik, der sich als Laie gerne einbinden lässt in eine die Nationen übergreifende Gemeinschaft, die vom Kollegium der Bischöfe mit dem Papst geleitet wird.
Ich sehe das Problem eher darin, dass wir uns in Strukturdebatten aufreiben, während metaphysisch obdachlose Zeitgenossen Fragen nach dem Sinn des Lebens stellen, auf die wir kaum eingehen. Ich denke, dass ein Bischof, der sein Amt einigermaßen glaubwürdig ausübt, in demokratischen Gesellschaften keine Akzeptanzprobleme hat. Auch andere Bereiche wie Wirtschaft, Finanzwesen und Verwaltung kennen hierarchische Organisationsformen.
Zurück zur weltkirchlichen Perspektive von Communio: Im Streit zwischen Rom und Deutschland scheint diesbezüglich die Mehrheit der deutschen Bischöfe in der Defensive. Aber hat nicht auch Rom Fehler gemacht? Warum besucht Papst Franziskus die 1500 Katholik:innen in der Mongolei, nicht aber die große katholische Kirche in Deutschland mit ihren wichtigen Fragen?
Tück: Es geht mir nicht um Schuldzuweisungen. Beide Seiten müssen aufeinander zugehen – und es besteht ja das gemeinsame Anliegen, die synodale Einbettung der Bischöfe voranzutreiben.
Allein das „Wie“ ist strittig – und hier bietet communio.de ein Forum der Verständigung. Angesichts der Irritationen auf beiden Seiten sind baldige Gespräche in Rom wichtig. Als Katholik bin ich optimistisch, dass sich ein Ausweg finden lässt, zumal Franziskus ja bislang einige Geduld mit dem Synodalen Weg gezeigt hat.
Wort zum Sonntag
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