Wort zum Sonntag
Eine Predigt in Gottesdiensten zu halten, ist keine leichte Sache. Dabei wäre es gerade in Zeiten wie diesen, in denen immer mehr Menschen der Kirche den Rücken kehren, so wichtig, die Menschen zu erreichen. Was macht denn für Sie eine gute Predigt aus?
Johann Pock: Wesentlich für diese spezielle Form der geistlichen Rede im Rahmen von Gottesdiensten sind laut heutiger Predigtforschung vor allem drei Aspekte: das Wort Gottes, also der Bibeltext, das Ich als predigende Person und die Zuhörer:innen als Adressatinnen und Adressaten. Die Rede ist hier vom sogenannten homiletischen Dreieck, und zumindest diese drei Merkmale müssen in einer Predigt in Einklang gebracht werden. Das unterscheidet sie von einer anderen Rede. Nach der Lesung aus dem Evangelium steht der Prediger, die Predigerin unter dem Anspruch, das Wort Gottes auszulegen und an die Zuhörenden weiterzugeben.
... und eine oft komplizierte Sprache verständlich auszudrücken, um die Menschen mitzunehmen. Das hat der Papst unlängst erst für Predigten gefordert. Was braucht es dazu?
Pock: Die Kunst ist das Herunterbrechen von theologischen Wahrheiten in Lebenswirklichkeiten. Eine Predigt ist keine Theologievorlesung und da ist Übersetzungsarbeit gefordert. Deshalb erwarte ich mir von einer Predigt, dass die Botschaft in dem mehr als 2000 Jahre alten Buch der Bücher in der Sprache unserer Zeit und der Menschen, die man vor sich hat, verkündigt wird und man sich nicht Floskeln einschärft, die dann gebetsmühlenartig wiedergegeben werden. Wichtig ist auch, auf die jeweilige Situation zu achten, die in der Predigt aufgegriffen werden soll – seien es bestimmte Anlässe wie Hochzeiten, Jubiläen oder auch herausfordernde Gegebenheiten wie Katastrophen. Die predigende Person hat sich auf die Hörer:innen einzustellen und sich darauf vorzubereiten, welche Botschaft in den jeweiligen Gottesdienst passen könnte. Er oder sie möchte damit ja etwas erreichen und je nach Situation die Gemeinde aufbauen, stärken, trösten, ermutigen oder sie etwas lehren.
Es geht um Worte und Botschaften mit Bedeutung und Gehalt. Welche Rolle spielen dabei Authentizität und Emotionalität?
Pock: Eine große, denn die Leute merken, ob die Predigt stimmig ist und versucht wird, ihnen Nahrung für die Seele und fürs Leben mitzugeben, also Botschaften, mit denen sie etwas anfangen können. Gelingt das, werden auch rhetorische Schwächen verziehen. Wird das Evangelium mit Leidenschaft, Freude und Engagement verkündet, ist das für die Menschen im Gottesdienst inspirierend. Klar ist aber auch, bei 100 Leuten werde ich nie alle gleich erreichen können. Eine gute Predigt zu halten heißt nicht, dass alle, die zugehört haben, in Jubel ausbrechen müssen. Es kann ja auch einmal sein, dass Kritisches gepredigt wird – nicht im Sinne von Strafpredigten, sondern durch Fragen, die gestellt werden, die zum mit-, nach- und weiterdenken anregen. Eine bildhafte Sprache und Geschichten helfen dabei, das Gesagte noch stärker zu vermitteln.
Da finden sich ja viele Beispiele auch in der Bibel ...
Pock: Auf jeden Fall. Dazu müssen Prediger:innen die Bibel als zentralen Ausgangs- und Bezugspunkt für Predigten natürlich gut kennen, um aus dem Schatz an Briefen, Chroniken, Gleichnissen, Märchen, Moralpredigten, Rechtstexten usw. schöpfen zu können. Zudem ist theologische Kompetenz gefordert. Man versucht, sich die Bibelstellen auch exegetisch gut anzuschauen, das heißt, was sagen Bibelwissenschafter:innen dazu, was gibt es aus der Lehre der Kirche zu dem Thema, über welche eigenen Erfahrungen verfüge ich, gibt es weitere literarische Texte, die für die Predigt interessant sein könnten. Der erste Schritt für die predigende Person aber ist: Was betrifft mich selbst an dieser Bibelstelle, was regt mich auf, was regt mich an, wo habe ich mehr Fragen als Antworten? Predigten sind ja durch die Person hindurchgegangene Botschaften.
Ein Priester bereitet sich auf die nächste Predigt für den kommenden Gottesdienst vor.
Laut Papst Franziskus dürfe eine Predigt nicht länger als acht Minuten dauern. Sehen Sie das auch so?
Pock: Acht Minuten sind sicher eine gute Länge. Lustig ist, dass ja auch der Papst oft länger predigt. Generell haben Menschen nichts gegen eine ausgedehntere Rede, wenn sie eine:n berührt, wenn sie unterhaltsam ist und Impulse zum Nachsinnen gibt. Da hören die Leute gerne auch zehn Minuten zu. Ist eine Predigt allerdings fad, können fünf Minuten schon zu lange sein und man hofft, dass der Prediger bald zum Ende kommt. Zu bedenken ist jedenfalls, dass die Predigt als Teil des Gottesdienstes einen begrenzten Platz hat. Also sollte man Grundsätze beachten: wie gesagt, nicht zu lange predigen, nicht zu viele Themen aufgreifen, sondern einen roten Faden verfolgen. Und nicht jedesmal dasselbe predigen.
Hat auch Humor Platz in der Predigt?
Pock: Ja, aber nicht im Sinne von Witzeerzählen. Das kann auch einmal passen, aber vielmehr geht es darum, Menschen zum Schmunzeln zu bringen. Nicht unbedingt der gute Witz macht eine humorvolle Predigt aus, sondern eher die Haltung, mit der man vielleicht auch selbstironisch manche Dinge weitergibt.
Sie sind ja selbst oft predigend unterwegs. Welche Prediger:innen sind für Sie Vorbilder?
Pock: Für mich war der leider schon verstorbene Johann Weber, Bischof der Diözese Graz-Seckau, ein super Prediger. Er hat sich vor den Altar im Dom in Graz hingestellt und frei gepredigt. Das sehe ich immer noch vor meinen Augen. Meistens hatte er drei Punkte, die waren nicht zu lange und in verständlicher Sprache. Ich merke auch bei Kardinal Christoph Schönborn, aus welch großem theologischen und spirituellen Fundus er schöpft. Das kommt aus einer tiefen persönlichen Gläubigkeit heraus. Tolle Predigten habe ich aber auch von Diakonen, Pastoralassistentinnen und -assistenten erlebt.
Der ökumenische Predigtpreis wird seit dem Jahr 2000 in Bonn verliehen und maßgeblich verantwortet durch die drei theologischen Institutionen an der Universität Bonn. Die Jury besteht aus maximal sieben Expertinnen und Experten für Theologie und Predigtpraxis.
Zu den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern zählen u. a. der bereits verstorbene österreichische Altbischof der Diözese Innsbruck Reinhold Stecher (2010, Kateorie Lebenswerk), die deutsche evangelisch-lutherische Theologin und Pfarrerin Margot Käßmann (2001, Kategorie Sonderpreis) und die deutsche Klimaschutz-Aktivistin und Publizistin Luisa Neubauer (2023, Kategorie Lebenswerk).
Der Preis geht zurück auf eine Initiative des Bonner Unternehmers Norman Rentrop, Gründer des Verlags für die Deutsche Wirtschaft. Seit 2023 wird der Preis durch den Verlag am Birnbach unterstützt, der bundesweit Kirchengemeinden u. a. mit Literatur beliefert.
Für den ökumenischen Predigtpreis werden bis zum 30. September 2024 Einreichungen entgegengenommen. Alle Verfasser:innen deutschsprachiger Predigten (darunter auch ehrenamtliche Prediger:innen und Personen in der Ausbildung zum gemeindlichen Dienst) sind eingeladen, sich mit der Zusendung einer Predigt, die zwischen 1. Juni 2023 und 1. Juli 2024 gehalten wurde, zu bewerben. Einsendeschluss ist der 30. September 2024.
Einsendungen bitte mit dem Betreff „Predigtpreis“ an: schlosskirche@uni-bonn.de.
Infos: www.predigtpreis.de
Wort zum Sonntag
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>