Wort zum Sonntag
Christen zählen in Pakistan zu den religiösen Minderheiten. Als Bürger zweiter Klasse sind sie in dem muslimischen Land zahlreichen Diskriminierungen und Übergriffen ausgesetzt. Die Chancen auf Bildung und gute Jobs sind gering. So werden viele von ihnen als Arbeiter in Ziegelfabriken ausgebeutet – auch Kinder.
In Reih und Glied liegen feuchte Ziegel auf dem Boden, um in der Sonne vorzutrocknen. Ehe sie in den Öfen gebrannt werden, müssen die zwei Kilo schweren Blöcke aus Sand- und Lehmmasse immer wieder gewendet und gestapelt werden – ein Ziegel nach dem anderen. Das geschieht mittels Kinderhänden.
Sie heißen Saim, Ruth oder Daim und zählen zu jenen Kindern in Pakistan, die ihre Eltern bei der Arbeit unterstützen, anstatt zur Schule gehen zu können. Für 1000 Ziegel pro Tag erhält eine Familie umgerechnet fünf Euro. Ein Hungerlohn, der kaum zum Überleben reicht. Um dieses Pensum zu schaffen, müssen die Kinder mithelfen. Obwohl Kinderarbeit in Pakistan offiziell verboten ist, brauchen die Ziegeleibesitzer keine Angst haben, dass Strafen gegen sie erfolgen. „Es sind sehr mächtige, einflussreiche Leute. Selbst wenn man sie damit konfrontiert, würden sie sagen, sie zahlen für die Ziegel und haben nichts damit zu tun, wenn Kinder zur Arbeit eingesetzt werden“, erläutert Christoph Lehermayr von Missio Österreich.
Großteils sind es Christen, die diese kräfteraubende Arbeit in den Ziegeleien verrichten. Lehm schöpfen, Ziegel formen, wenden, schleppen, brennen. „Werden höhere Geldbeträge benötigt, etwa für Medikamente, kommen die Menschen nicht umhin, sich Geld beim muslimischen Fabriksbesitzer zu leihen“, sagt Lehermayr. Da die Zinsen hoch sind, häuft sich der Schuldenberg mehr und mehr an – über Generationen hinweg, vererbt von den Großvätern und -müttern an die Söhne und Töchter und deren Kinder, die in diese Schuldknechtschaft hineingeboren werden. Und häufig bleiben sie darin wie Sklaven gefangen.
Die Familien arbeiten nicht nur in den Ziegeleien, sie leben auch in den Siedlungen auf dem Gelände der Fabrik. Unter katastrophalen Bedingungen, wie der Missio-Mitarbeiter berichtet. „Es fehlt an Toiletten und sanitären Anlagen. Eine Lehmhütte mit zehn Quadratmetern dient einer oft siebenköpfigen Familie als Wohnraum. Geschlafen wird auf Holzpritschen, gekocht an offenen Feuerstellen vor der Hütte.“
In Pakistan zählen Christen neben muslimischen Ahmadiyya, Hindus und Sikhs zu den religiösen Minderheiten. Unter den insgesamt 220 Millionen Einwohnern der islamischen Republik mit mehr als 95 Prozent an Muslimen leben laut Schätzungen drei bis vier Millionen Christen. Problematisch ist, dass sie als Menschen zweiter Klasse behandelt werden und zahlreichen Ausgrenzungen, Übergriffen und Diskriminierungen ausgesetzt sind. „Aufgrund ihres Glaubens und wegen ihrer sozialen Stellung haben sie wenig Chancen auf Bildung und in Folge kaum Möglichkeiten, an gut bezahlte Jobs zu gelangen“, sagt Lehermayr. So arbeiten Christen oft als Reinigungskräfte, Straßenkehrer, Hausangestellte und als Arbeiter in den zahlreichen Ziegeleien vor allem in der Provinz Punjab. Durch die Corona-Pandemie hat sich die Lage der Menschen zusätzlich verschlechtert.
Einfach auf und davon, alles hinter sich lassen und dieser Schuldknechtschaft in den Ziegeleien entfliehen: Daran haben viele der Betroffenen schon gedacht. Manche haben es versucht. Doch es gibt kaum Aussicht auf einen besseren Job, da sie nichts anderes gelernt haben, außer Ziegel herzustellen. Und jene, die geflohen sind, wurden wieder aufgespürt, um die ausstehenden Schulden einzutreiben. Was bleibt: Abhängigkeit.
Gibt es einen Ausweg aus dieser Sklaverei? „Bildung ist der Schlüssel“, sagt Bischof Samson Shukardin. Doch das System der Schuldknechtschaft könne man nicht von heute auf morgen beenden, gibt der Bischof von Hyderabad zu bedenken. Es sei ein langer Weg, ein langsamer, herausfordernder Prozess, um einen Bewusstseinswandel und konkrete nachhaltige Schul- und Ausbildungsangebote erfolgreich umzusetzen, damit die Menschen der Spirale der Abhängigkeit entkommen können und Zukunftsperspektiven haben, sagt der Bischof. „Wir stehen am Beginn dieses Prozesses.“ Missio Österreich als Projektpartner steht unterstützend zur Seite. „Da Schulen häufig weit von den Ziegelfabriken entfernt sind, bringen wir von Missio nun Schulen und Lehrer zu den Kindern und schaffen die Möglichkeit einer schulischen Ausbildung“, sagt Lehermayr. Geplant ist dieses Projekt in der Provinz Punjab in einem Gebiet mit etwa 30 Dörfern. Konkret begonnen wurde damit in fünf Orten. Pandemiebedingt waren die Bildungseinrichtungen in Pakistan mehr als eineinhalb Jahre geschlossen. Seit Mitte Oktober wurde der Normalbetrieb wieder aufgenommen.
Neben der modernen Sklaverei leiden religiöse Minderheiten wie die Christen auch unter dem Missbrauch des Blasphemiegesetzes. Es verbietet unter Androhung der Todesstrafe abwertende Äußerungen über den Islam. „Die Angst vor falschen Anschuldigungen, schlecht über den Propheten Mohammed gesprochen zu haben, ist groß. Da braucht es nicht viele Beweise. Plötzlich werden Christen oder andere Personen von der Polizei abgeholt. Das geht sehr schnell“, sagt Christoph Lehermayr. Der Fall der pakistanischen Katholikin Asia Bibi, die wegen angeblicher Gotteslästerung zum Tode verurteilt, schließlich aber freigesprochen wurde, war über die Grenzen Pakistans hinaus in den Medien, „aber es gibt hunderte solcher Fälle“, so Lehermayr.
Immer wieder kommt es in dem muslimisch geprägten Land auch zu Entführungen, Zwangskonvertierungen, Zwangsehen mit minderjährigen Mädchen unter 18 Jahren und zu Hass-Reden gegenüber Nicht-Muslimen etwa in Schulbüchern, die den Fundamentalismus fördern. „Religiöse Minderheiten werden in Pakistan bis heute nicht wirklich geschützt. Die Regierung verspricht zwar, etwas dagegen zu unternehmen. So hat sie für Minderheiten eine Fünf-Prozent-Quote in Aussicht gestellt bei der Vergabe von Jobs oder von Stipendien. Doch das ist in der Praxis noch nicht umgesetzt worden“, sagt Bischof Samson Shukardin. Weltkirche endet nicht an den Grenzen Europas, betont Christoph Lehermayr. „Christen in Pakistan brauchen starke Fürsprecher und Förderer. Die versuchen wir als Missio für sie zu sein.“ «
Seit 1922 begeht die katholische Kirche den Weltmissions-Sonntag. Die Sammlung für die ärmsten Diözesen der Welt jeweils am vorletzten Sonntag im Oktober (heuer am 24. 10.) ist die größte Solidaritätsaktion aller Katholiken weltweit und findet auch in allen Pfarren Österreichs statt. Verantwortlich für die Organisation und Durchführung des Weltmissions-Sonntags sind die Päpstlichen Missionswerke („Missio“). Die „Missio“-Sammlung (Sonntag der Weltkirche) ermöglicht die pastorale und soziale Arbeit der Kirche in diesen Diözesen und es werden entsprechende Projekte für die Ärmsten der Armen in Afrika, Asien und Lateinamerika gefördert. Das Schwerpunktland zum heurigen Weltmissions-Sonntag ist Pakistan.
- Infos: www.missio.at/wms
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