Katharina Schindelegger (33) ist Theologin und Journalistin. Sie ist in den Pfarren Ober Sankt Veit und Unter Sankt Veit – Zum Guten Hirten (Wien 13) als Pastoralassistentin tätig.
Die Kirche und ihr Personal haben sich keineswegs zurückgezogen.
Der Pastoraltheologe Thomas Schlag leitet an der Universität Zürich den Forschungsschwerpunkt „Digital Religions“. Er befragte gemeinsam mit Kolleg/innen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz 6.500 Personen, die in der Pastoral arbeiten – kurz nach dem ersten Lockdown, der rund um Ostern 2020 das gesamte gewohnte kirchliche Leben unmöglich gemacht hatte. Den evangelischen und katholischen Kirchen ist es nach dieser Studie durchaus gut gelungen, auf die digitale Herausforderung zu reagieren. Der überfällige Digitalisierungsschub wurde vielerorts nachgeholt – nach dem Motto „10 Jahre in 10 Tagen“.
Vieles an pastoralen Aktivitäten war im Lockdown wenig öffentlich sichtbar, betont der Pastoraltheologe Schlag: die „Seelsorge über den Gartenzaun“, der Chat auf WhatsApp, die Austauschrunde auf Zoom oder der Telefonanruf der Pastoralassistentin. Manche Seelsorger/innen erlebten diese Zeit als Fokus auf das Wesentliche, wie Rückmeldungen zeigen, die die Studienautor/innen erhalten haben: „Jetzt habe ich verstanden, warum ich Pfarrer geworden bin.“ oder „Das jahrelange Netzwerken im Dorf auf persönlicher und kirchgemeindlicher Ebene hat sich sehr ausgezahlt.“
Mehr als die Hälfte der Seelsorger/innen boten im Lockdown digitale Gottesdienstformen an. Erfahrungen damit hatten davor nur 5%. Je kreativer und teamorientierter pastorale Mitarbeiterinnen sind, desto mehr Offenheit zeigen sie für interaktive Online-Gottesdienste, ergab die Studie. Bei den Liturgieformen überwogen Wortgottesdienste und Andachten. Die Coronakrise hat hier Raum für Experimente eröffnet. Digital wenig versierte Seelsorger/innen gaben in der Studie an, dass ihr Arbeitsaufwand im Lockdown ingesamt gesunken ist.
Für fast ein Viertel der Hauptamtlichen erhöhten sich die Arbeitszeiten durch veränderte, insbesondere digitale Aktivitäten und das Kontakthalten. Schlag warnt vor überbordender Euphorie: Klickzahlen von „bloß abgefilmten Gottesdiensten“ sind im Verhältnis zum Aufwand „erschütternd“. Interessant wird es, so Schlag, wenn sich Kirche der Kultur der Digitalität wirklich stellt – inklusive der Frage nach Autorität und Deutungshoheit. Das Internet sei ein interaktives Medium und auf Beteiligung angelegt.
Zur Zeit nach Corona meint Schlag: „So zu tun, als ob nichts gewesen wäre, halte ich für ein Problem.“ Beim Weiterdenken von Kirche im digitalen Raum empfiehlt der Kirchenentwickler mehr auf die Inhalte und Qualität zu schauen als nur darauf, dass etwas geschieht. Seelsorger/innen, die Chancen in der digitalen Transformation sehen, vermelden einen deutlichen Bedarf nach Fortbildung. Es braucht vermehrte theologische Kriterienbildung – digitale Reichweite bedeutet nicht automatisch theologische Relevanz.
Bei einer Weiterbildungsveranstaltung, organisiert vom Institut für pastorale Fortbildung und der Katholischen Jugend OÖ, unterstützte Thomas Schlag Seelsorger/innen bei weiteren Schritten zu einer einladenden „Kirche am Bildschirm“. Eine Publikation der Studie und eine weitere Befragung von Seelsorger/innen ist für Frühsommer 2022 geplant.
Katharina Schindelegger (33) ist Theologin und Journalistin. Sie ist in den Pfarren Ober Sankt Veit und Unter Sankt Veit – Zum Guten Hirten (Wien 13) als Pastoralassistentin tätig.
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