Wort zum Sonntag
Wie sind Sie auf die Wüstenväter gestoßen?
P. Bernhard Eckerstorfer: Auf einem Flohmarkt, als ich noch im Gymnasium war. Ich erinnere mich noch genau. Zwei Bücher habe ich mir da gekauft: die chassidischen Geschichten von Martin Buber und die „Apophthegmata Patrum“, die „Aussprüche der Väter“, wie der Titel übersetzt heißt. Im Noviziat – zehn Jahre später – habe ich mich dann intensiver mit dem Wüstenmönchtum und seiner Spiritualität beschäftigt. Die Faszination, die für mich von diesen Texten ausgeht, hält bis heute an.
Die Aussprüche der Wüstenväter sind an die 1.600 Jahre alt, handeln oft vom Teufel und von Dämonen, von einer völlig anderen Welt, als wir sie kennen. Was haben die Aussprüche uns heute zu sagen?
P. Bernhard: Die Wüstenväter präsentieren uns keine Wohlfühlsätze, sie fordern uns heraus, sie stellen sich gegen den Zeitgeist. Das beeindruckt auch junge Menschen. Das finde ich spannend, es zeugt von Kraft, die in den Vätern steckt. Wir beschäftigen uns gerade im Wahlpflichtfach „Religion“ damit. Ich habe den Jugendlichen Sätze von Wüstenvätern vorgelegt. Einer der Sprüche, der sie am meisten angesprochen hat, ist der folgende von Vater Evagrius: „Schneide ab die Neigung zu vielen Dingen, damit nicht dein Sinn verwirrt werde und die Herzensruhe nicht gestört wird.“ Ich war überrascht. Wollen junge Leute nicht möglichst viel in ihr Leben packen? Die 17-jährige Tabea hat dazu gemeint: „Ich bin in so vielen Vereinen und bei so vielen Aktivitäten, dass ich ein freies Wochenende schon gar nicht mehr kenne. Ich muss lernen, mich zu beschränken.“
Was macht die Wüstenväter so modern?
P. Bernhard: Die Wüstenväter ermutigen, dass man sich selbst etwas zutraut. Sie geben ihren Schülern nicht lange Belehrungen, oft sind es nur ganz knappe Antworten, die sie auf Fragen geben. Aber in diesen Sätzen steckt der Impuls: „Geh in dich, du findest die Antwort in dir selbst, du weißt selbst, was für dich wichtig ist.“ Und das ist oft gar nicht bequem.
Was bedeuten die Sprüche der Wüstenväter ihnen persönlich?
P. Bernhard: Die Wüstenväter helfen mir, mich geistlich weiterzuentwickeln. Sie wecken das Widerständige in mir und rufen zur Umkehr. Das Evangelium darf nicht bloß zur Bestätigung der eigenen Lebensentwürfe werden, sonst verkommt es zu ausgehöhlten Phrasen. Letztlich geht es um die radikale Christusnachfolge, und der Weg dorthin ist herausfordernd. Die Wüstenväter werden oft als „Athleten Gottes“ bezeichnet. Ein Athlet braucht das regelmäßige Training. Der Geist und die Seele können träge werden, verfetten. Die Wüstenväter regen uns an, im Training zu bleiben. Nur der Verzicht führt tiefer.
Man muss aber auch klarstellen: Bei den Wüstenvätern findet sich viel Zeitbedingtes, das nicht nachzuahmen ist.
Können nicht nur die Einzelnen, sondern kann auch die Kirche insgesamt von den radikalen Mönchen aus der Wüste lernen?
P. Bernhard: Auf jeden Fall. Dazu gibt es eine kuriose Geschichte: Die Zelle eines Mönchs wurde ausgeraubt. Was der Räuber übersehen hatte, soll ihm der Wüstenvater nachgetragen haben. Das heißt: Wir als Kirche dürfen nicht auf Reichtum und Macht vertrauen. Die Kirche hat mit dem Evangelium anderes und mehr zu bieten: nämlich ein Leben, das die Menschen wirklich bereichert und über den Alltag hinausführt.
Der folgende Abschnitt ist dem soeben erschienenen Buch über die Wüstenväter von P. Bernhard Eckerstorfer entnommen.
Nicht alles, was ich in der vergangenen Woche erlebt habe, hat mich gefreut. Es gab auch Ärger, Konflikte und Enttäuschungen. Soll ich diesen Ballast, der sich angesammelt hat, weiter mitschleppen? Dann wird er mir das Wochenende belasten, wenn nicht gar verderben. Oder gibt es einen Weg, mich davon zu befreien?
Die Mönche der ägyptischen Wüste kann- ten solche Erfahrungen. Denn am Samstag und Sonntag kamen sie zusammen, um miteinander zu beten, zu essen und sich auszutauschen. Wenn sie sich nach diesem Treffen auf den Heimweg machten, nahmen sie nicht nur das Arbeitsmaterial für die kommende Woche mit; auch das eine oder andere verletzende Wort, das während der gemeinsamen Zeit gefallen war, ging mit ihnen. Da gibt es die Geschichte von einem Wüstenvater, der sich zu helfen wusste: Als Altvater Johannes sich einmal in die Kirche begab, hörte er einige Brüder heftig streiten. Bedrückt kehrte er zu seiner Einsiedelei zurück, ging dreimal um sie herum und trat erst dann ein. Einige seiner Schüler fragten ihn verwundert: „Warum tust du das?“ Er antwortete ihnen: „Meine Ohren waren von den Streitereien voll. Ich musste sie erst reinigen, damit ich in Ruhe meine Zelle betreten konnte.“
Abbas Johannes wollte kein verqualmtes Haus, darum gab er seinem Ärger die Möglichkeit zu verrauchen. Welche Runde kann ich drehen, wenn mich etwas zu sehr beschäftigt?
Bernhard A. Eckerstorfer: Kleine Schule des Loslassens. Mit der Weisheit der Wüstenväter durch den Tag. Tyrolia Verlag, Innsbruck/Wien 2019, 135 Seiten, € 14,95.
Hintergrund
„Wüstenväter“ ist eine später aufgekommene Bezeichnung für frühchristliche Mönche, die ab dem späten 3. Jahrhundert ein zurückgezogenes, durch Askese, Gebet und Arbeit bestimmtes Leben in den Wüsten Ägyptens, Palästinas, Syriens und der Türkei führten. Es gab auch Wüstenmütter. Im Regelfall sammelten sich um einen Wüstenvater zahlreiche Schüler. Ihre Aussprüche – „Apophthegmata Patrum“ genannt – vermittelten den Schülern die christliche Askese und wurden bald auch schriftlich überliefert. Diese Aussprüche bilden die Basis für P. Bernhards Meditationen.
Wort zum Sonntag
Turmeremitin Birgit Kubik berichtet über ihre Woche in der Türmerstube hoch oben im Mariendom Linz >>
Die KIRCHENZEITUNG bietet vielfältige Angebote für Pfarren:
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>