Wort zum Sonntag
Ich wäre gerne als Mäuschen dabei gewesen, als jemand zum ersten Mal auf der Welt so etwas wie religiöse Gefühle hatte.
War es ein Individuum unserer Spezies Homo sapiens oder bereits einer früheren Menschenart? Hat es an eine überirdische Wirklichkeit gedacht, als ihm zum ersten Mal die Schönheit eines Sonnenuntergangs bewusst geworden ist? Oder als es sich vom Schrecken erholt hat, um Haaresbreite der gefährlichen Attacke eines Beutegreifers entkommen zu sein? Oder war es bei der Trauer um einen Gefährten, der bei der Jagd ums Leben kam, oder um eine Gefährtin, für die es Gefühle der Zuneigung empfunden hat und die bei der Geburt des Kindes gestorben ist?
Oft wird die Erfahrung des „Mysterium tremendum et fascinosum“, das heißt eines das Begreifen übersteigenden Geheimnisses, das Staunen und Erschrecken zugleich auslöst, als Geburtsstunde von Religion und Gottesglaube angesehen.
Die Frage nach Gott halte ich für eine der spannendsten Fragen der Menschheitsgeschichte. Vielleicht gerade deshalb, weil wir keine letzte Antwort auf sie haben.
Bis heute füllen Bücher darüber ganze Bibliotheken: Ob es Gott gibt und, wenn ja, wie er ist. Reicht die Kraft unserer Vernunft aus, ihn zu erkennen, oder bedürfen wir der Offenbarung, das heißt, dass Gott selbst etwas von sich preisgibt, wie die monotheistischen Religionen glauben? Brauchen wir Gott, um einschneidende Lebensereignisse wie Geburt und Tod, Freude und Trauer bewältigen und das Leben in seiner tiefsten Bedeutung verstehen zu können?
Friedrich Nietzsche hat den Tod Gottes verkündet. Dagegen hat der polnische Philosoph Leszek Kolakowski den Menschen einmal als „unheilbar religiös“ bezeichnet. Heute erleben wir einerseits eine Krise der etablierten Religionen und tradierten Gottesvorstellungen, andererseits gibt es viele neue Formen von Spiritualität und Gottessuche. Vielleicht weil, wie der hl. Augustinus seine eigene Glaubenserfahrung formuliert hat, „unser Herz unruhig ist, bis dass es Ruhe findet in Gott“.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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