Wort zum Sonntag
Die Zukunft gehört den Kunststoffen. In den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts dachen viele so. Künstlicher Honig, chemische Geschmacksträger, Kunstfaser statt Baumwolle. Weg von der unexakten Natur! Das war der Trend. Doch Ernüchterung machte sich breit. So wirklich heimisch fühlten sich Menschen nicht in der künstlichen Welt. Mehr und mehr Probleme zeichneten sich ab. Der Trend drehte sich: zurück zur Natur.
Künstliche Intelligenz. Das ist die große Verheißung der Gegenwart. Das menschliche Denken sei zu irrtumsanfällig, nicht leistungsfähig genug – und führt einen aussichtslosen Kampf gegen Vergesslichkeit. In der Tat. Es ist erstaunlich, zu welch großer Rechenleistung künstliche „Gehirne“ imstande sind. Viel schneller, viel effizienter, viel genauer arbeiten sie als menschliche Gehirne. In der Tat. Da stecken viele Möglichkeiten drin, die den Menschen in der Bewältigung ihrer Aufgaben helfen können. Aber ist das schon Intelligenz? Werden solche Rechner je mehr als Maschinen sein?
Verstehen ereignet sich an jener geheimnisvollen Stelle im Menschen, in der all das Berechnen, Erfahren, Wissen und Spekulieren, die Traditionen und die Neuigkeiten, auch das Fühlen zusammenkommt. Was über die „fünf Sinne“ hereinströmt, verwandelt sich in Verstehen – in eine „Anschauung“ der Welt und des Lebens. Das Verstehen ist das, was ein Mensch geistig aus seinen Erfahrungen macht.
Das Christentum hält viel vom Verstehen. Es fordert nicht einfach unterwürfigen Glauben. Über die Gründe ihrer Welt-Anschauung sollen Christinnen und Christen Auskunft und Rechenschaft geben können, schreibt Petrus (1 Petrus 3,15). Argumentationsfähig sollen sie sein auf den Meinungsplätzen der Welt. Es ist ein falsch verstandener Begriff von Frömmigkeit, wenn man Glauben gegen Denken stellt. Glauben ist vielmehr der Schritt über das Denken hinaus – aber kein Unterlaufen des Verstandes.
„Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn“, wird von den Emmausjüngern erzählt. Ihre Gedanken austauschend waren sie mit Jesus unterwegs gewesen. Da ist ein Empfangen dabei, das nicht aus dem Eigenen kommt. Verstehen hat mit Begegnung zu tun.
Verstehen geht über die Programmiersprachen hinaus, mit denen man Computer formatiert. Der bestentwickelte Computer wird nie sagen können: „Aha, ich verstehe!“ – denn Verstehen braucht Seele. Es ist die Berührungsfläche mit dem Ich, in der all die Fakten der Welt sich in Bedeutung wandeln. Und es ist die geheimnisvolle Mündungsstelle im Menschen, in der die „Geistesströme“ der Intelligenz einfließen in das Ich, um sich dort zu vermenschlichen. Es ist der Mensch, der für eine Wahrheit steht.
Verstehen ist auch Empfindsamkeit. „Ich verstehe dich“, sagt einer, und das tut gut. Sich unverstanden zu wissen führt in die Enge. „Sie verstehen einander“, sagt man von Freunden und Liebenden. Da geht es um mehr als um Fakten. Sie haben eine Gemeinsamkeit, ein geistiges Gespür füreinander. Und die künstliche Intelligenz: Sie wird ein Hilfsmittel bleiben, selbst angwiesen auf intelligente und empfindsame Vermenschlichung.
Aus der Serie „Was Menschen können - Verstehen“, Teil 4 von 4
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Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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