Wort zum Sonntag
In unserer Gesellschaft hat sich die Mensch-Tier-Beziehung grundlegend verändert. Noch vor wenigen Generationen waren die meisten Menschen in irgendeiner Form in den agrarischen Kontext eingebunden. Bis heute haben besonders in der kleinstrukturierten Landwirtschaft die Bauersleute zu ihren Tieren eine enge Beziehung. Dennoch waren beziehungsweise sind die Tiere in der Landwirtschaft in erster Linie Nutztiere und dienen der Nahrungsgewinnung oder der Arbeit. Heute haben die meisten Menschen keinen unmittelbaren Bezug mehr zur Landwirtschaft, sodass sich auch ihr Verhältnis zu den Tieren geändert hat. Diese gewinnen eine zunehmende soziale Bedeutung. Sie werden als Sozialpartner und Familienmitglieder wahrgenommen und spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Freizeit.
Diese Entwicklung ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Sie ist Ausdruck der Liebe zur Natur und zu den Tieren. Das Zusammenleben mit einem Tier wirkt sich auf vielfältige Weise positiv auf Menschen aus. Es hilft zum Beispiel, Verantwortung wahrzunehmen und Einsamkeit zu überwinden. Studien zufolge erkranken Menschen, die ein Tier halten, seltener an Depression oder Herzkrankheiten.
Doch es stellen sich auch ethische Fragen. Zunächst soll eine Gefährdung genannt werden: Tiere eignen sich als Projektionsfläche menschlicher Bedürfnisse. Durch ihre Anpassung an das Leben mit dem Menschen werden sie gewissermaßen sein Spiegelbild.
Aus dem Blick geraten dann leicht die spezifischen Bedürfnisse eines Tieres selbst. Eine Grundforderung jeder Tierhaltung ist, dass ein Tier so gehalten wird, dass seine artspezifischen und individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten berücksichtigt werden. Das beinhaltet zum Beispiel das Fress- und Kotverhalten, das Bewegungs- und Ruhebedürfnis, das Territorial- und Sozialverhalten usw. Um einem Tier gerecht zu werden, muss es als das Tier, das es ist, wahr- und angenommen werden, nicht als eines, das wir gerne hätten und das unseren Wünschen oder Vorstellungen zu entsprechen hat.
Aus tierethischer Perspektive ist wichtig, dass wir nicht das Tier an uns und unser Lebensumfeld anpassen, sondern umgekehrt: dass wir auf das Tier eingehen und unsere Wohnung, das Haus, die Ställe usw. bestmöglich an die Bedürfnisse des gehaltenen Tieres anpassen. Ist dies nicht möglich, sollte auf eine Tierhaltung verzichtet werden. Das hat etwas damit zu tun, das Tier in seinem Eigenwert zu respektieren. Respekt und Achtung vor einem Tier bedeutet auch, dass ich es Tier sein lasse und nicht Erwartungen an es richte, die es nicht erfüllen kann. Bei aller sozialen Bedeutung eines Tieres ist es dennoch kein Ersatz für einen menschlichen Partner oder für ein Kind. Ein Tier nicht zu vermenschlichen ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Freundschaft zu ihm gelingen kann und Freude bereitet!
Mensch und Tier
Vom richtigen Umgang mit Tieren
Teil 3 von 4
Prof. Martin M. Lintner OSM
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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