Wort zum Sonntag
Wenn man die Noach-Erzählung aufmerksam liest, merkt man, dass die Autoren sehr frei vorgegangen sind. Das betrifft zum Beispiel das Schwimmgefährt, das Noach anfertigen soll. Die Angabe von Länge, Höhe und Breite der Arche entsprechen nämlich den Maßen des Jerusalemer Tempels. Es geht in der Erzählung also nicht um irgendein Schiff, sondern um die rettende Kraft des Heiligtums. Die widersprüchlichen Angaben zur Zahl der geretteten Tiere, zur Dauer der Regenfälle, zur Art der Flut usw. sind hingegen für den modernen Leser lauter „Fake News“. Als Noach schließlich aus der Arche kommt, bringt er ein Tieropfer dar, indem er einige der gerade geretteten Tiere schlachtet, in der Erzählung geht es doch nicht um die Rettung der Tiere. Natürlich kann die Wissenschaft alle diese literarischen „Freiheiten“ gut erklären.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich dennoch ein „Fake“, das gar nicht in der Bibel steht: der Regenbogen.
Der Erste, der das Phänomen Regenbogen wissenschaftlich erklärte, war Markantun de Dominicis, ein Bischof aus Kroatien. 1611 veröffentlichte er ein Werk über das Licht und beschrieb darin die physikalischen Eigenschaften des Regenbogens. Man braucht dafür von Sonnenlicht bestrahlte Regentropfen. De Dominicis geriet aber in Schwierigkeiten mit dem Papst, wurde verurteilt und sein Buch wurde verbrannt. Der Regenbogen spielte dabei auch eine Rolle. Die Bibel erklärt nämlich anders, was es mit dem Regenbogen auf sich hat: Gott selbst hatte ihn als Zeichen des Bundes mit den Menschen in den Himmel gestellt. Physikalische Erklärungen störten da nur. Wenn man aber genau liest, kommt in der Originalfassung der Bibel gar kein Regenbogen vor. Bei Noach war im Übrigen der Regen zum Zeitpunkt der angeblichen Regenbogenerscheinung schon seit fünf Monaten vorbei. Auch physikalisch gesehen ist der Regenbogen an dieser Bibelstelle also ein Ding der Unmöglichkeit.
Der Hintergrund ist ein anderer: Der Begriff, der in der Bibel gebraucht wird, bezeichnet normalerweise einen „Kriegsbogen“. Ein solcher Bogen ist die bevorzugte Kampfwaffe altorientalischer Götter. Rein sprachlich gesehen handelt die biblische Stelle nicht von einem Regenbogen, sondern von einem Kriegsbogen, den Gott im Himmel aufgehängt hat. Diese Vorstellung ist für die altorientalische Welt nicht ungewöhnlich. Gott verspricht nämlich am Ende der Flut, die Erde nicht mehr zerstören zu wollen. Die Sintflut, also der Kampf Gottes gegen die Menschheit, ist nun vorbei. Gott senkt seinen Bogen ab und legt ihn in die Wolken. Der gebogene Teil zeigt nach oben, der Bogen ist nicht mehr schussbereit.Nur eine ungenaue Übersetzung machte aus einem „Kriegsbogen im Himmel“ einen „Regenbogen“. Ein siebenfarbiges „Fake“!
„Fake News“ in der Bibel
Teil 2 von 4
Simone Paganini
Geschäftsführender Direktor des Instituts für katholische Theologie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen
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