Wort zum Sonntag
Die berühmten Frauen in der Bibel sind mit Namen bekannt – die Apostelin Maria von Magdala, Prophetinnen wie Mirjam und die Mutter Jesu, Maria von Nazareth, oder Heldinnen wie Ester und Judit. Manche sind zwar namenlos, aber trotzdem kennt man sie, wie die Frau, die zwölf Jahre lang unter starken Blutungen litt, genannt die blutflüssige Frau, und die durch das Berühren von Jesu Gewand Heilung erfuhr. Sie alle werden immer wieder in den Mittelpunkt gerückt. Aber wie sieht es aus mit jenen Frauen der Bibel, die im Schatten stehen, keinen Namen haben oder wenn doch, dieser kaum bekannt ist?
Mit ihnen beschäftigt sich Barbara Janz-Spaeth, deutsche Theologin und Referentin für Bibelpastoral der Diözese Rottenburg-Stuttgart, bereits seit geraumer Zeit.
„In unserer Gesellschaft werden immer nur die Ersten genannt, etwa bei sportlichen Ereignissen. Die, die sich genauso anstrengen, mittrainieren oder Unterstützer:innen sind, kommen nicht vor. Bei meiner Arbeit als Pastoralreferentin ist mir im Laufe der Zeit aufgefallen, dass es im Umgang mit biblischen Frauenfiguren genauso ist. Doch Erste oder Erster sein funktioniert nicht ohne Zweite“, sagt Barbara Janz-Spaeth. In der Bibel sind die namenlosen Frauen mit bestimmten Bezeichnungen verbunden wie Magd und Witwe oder sie sind nur als „eine Frau“ angeführt. Oft werden sie auch in der Zuordnung genannt wie „die Tochter, die Mutter oder die Schwester von“.
In der Auseinandersetzung mit diesen Frauen entdeckte die Theologin, dass sie und ihre Geschichten, wenn auch nur beiläufig erwähnt, nicht bedeutungslos sind. „Sie haben uns etwas zu sagen und es besteht die Möglichkeit, dass wir uns mit ihnen identifizieren können“, sagt Barbara Janz-Spaeth. Also wurden sie aus der zweiten Reihe in den Vordergrund gestellt. Gemeinsam mit Hildegard König, Professorin für Kirchengeschichte an der TU Dresden, und der Theologin Claudia Sticher, Pastoralreferentin im Bistum Mainz, ist daraus auch ein Buch entstanden -„Zeigt Euch! 21 Porträts namenloser Frauen in der Bibel“.
Es wurde kontextuelle Exegese betrieben, das heißt, die Texte und Hintergründe wissenschaftlich solide zu erforschen, stand dabei außer Frage, so Barbara Janz-Spaeth. Geht man zudem über Grenzen, indem man Texte fortschreibt, vom Erzählgang abweicht oder Lücken füllt, ergeben sich laut der Pastoralreferentin interessante Sichtweisen.
Die Geschichten sind großteils keine leichte Kost. Doch auch Gewaltgeschichten bedürfen laut Barbara Janz-Spaeth einer Annäherung und müssen zur Sprache kommen. Ein Beispiel ist die Magd der Judit (Judit 13,2–3,9c–10). Als starke biblische Frauengestalt rettet die gottesfürchtige Witwe Judit das Volk Israel vor Versklavung, indem sie den feindlichen assyrischen General Holofernes betört und ihn mit seinem eigenen Schwert enthauptet.
Dieser Mord der Judit hätte allerdings ohne ihre Magd nicht funktioniert, erläutert die Theologin. „In der biblischen Erzählung war diese Tat kein spontaner Akt, sondern von langer Hand geplant, durchdacht, vorbereitet. Solch ein Vorgehen wird Frauen abgesprochen, und wenn es um Mord geht noch viel mehr. Dazu kommt, dass die Magd zu Judit sagt, Frauen sollten nicht töten, sie sind dazu geboren, Leben zu schenken. Das heißt, wir haben in dieser Erzählung Pauschalitäten, die durchbrochen werden. Und wenn Denkmuster sich plötzlich öffnen und in eine andere Richtung gehen, dann hat das auch etwas mit unserem Leben heute zu tun.“
Ähnlich ist es bei der Erzählung der Mägde auf dem Feld des Boas (Rut 2). Es gibt festgelegte Normen, die Jahrhunderte gelten: Mit Moabitern machen Israeliten keinen Friedensvertrag, mit denen will man nichts zu tun haben. Als die Moabiterin Rut als Fremde auf das Feld des Boas gerät, um dort Ähren zu lesen, wird sie von ihm geachtet. Zum Schutz vor den Knechten solle sie, so Boas, hinter den Mägden hergehen und kein anderes Grundstück betreten.
„Weicht man hier vom Erzählgang ab, so haben die beiläufig genannten Mägde zusammengehalten und Rut beschützt, in der Not füreinander gesorgt und so Hass überwunden. Alte Feindschaftsregeln wurden aufgehoben, um friedlich nebeneinander zu leben. Das finde ich faszinierend an dieser Erzählung. Vor allem im Versöhnungsprozess, sei es familiär, sei es völkermäßig, ist das heute so aktuell, wie es damals war“, meint Barbara Janz-Spaeth.
Äußerst spannend ist für die Pastoralreferentin auch der Text, in dem die Tochter der Herodias (Mk 6,14–29) vorkommt. Oftmals als Salome bezeichnet, wird ihr Name in der Bibel aber nicht genannt. „Ich hatte die Erzählung vorher noch nie unter dem Aspekt sexualisierter Gewalt gelesen – dass hier eine Mutter ihre Tochter für eigene Zwecke benutzt“, führt Barbara Janz-Spaeth aus. Natürlich seien ihr von der Wirkungsgeschichte her die Bilder bekannt, „wo Herodias Tochter im mehr oder weniger durchsichtigen Negligé vor König Herodes und den Herren seiner Geburtstagsgäste tanzt“. Meistens gehe es aber darum, so die Theologin, „dass Herodes Johannes den Täufer köpfen lässt und der dann zum Märtyrer wird. Ich wollte hier allerdings ins Licht rücken, dass diese biblische Geschichte auch andere Menschen mit einbezieht wie Täterin und Opfer. Wenn man Haltungen aufbricht, kann man die Erzählung ganz anders sehen. So habe ich versucht aufzuzeigen: Hier will eine junge Frau aus Freude am Leben tanzen, absichtslos. Und dieser Tanz wird von ihrer Mutter benutzt – aus Rache. Da Herodes vom Tanz entzückt war, sagte er zu Herodias Tochter, sie könne von ihm verlangen, was sie wolle. Auf Anweisung ihrer Mutter forderte sie schließlich den Kopf Johannes’ des Täufers.“
In unserem Leben heute passiere es ebenfalls oft, dass man etwas völlig absichtslos gut meine und tue, andere das dann aber manipulieren und für sich benutzen, so Janz-Spaet. „Das sind Realitäten. Es ist mein Grundanliegen zu verdeutlichen, dass sich in den Texten und Versen der Bibel immer wieder Neues finden lässt für Umstände unsers Daseins. So kann jeden Tag eine andere biblische Stelle bedeutsam und wichtig für uns sein, weil wir jeden Tag in einer anderen Situation stecken oder andere Gefühle haben.“
Die deutsche Theologin Barbara Janz-Spaeth arbeitet als Referentin für Bibelpastoral und biblische Bildung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart und ist zudem zertifizierte Bibelerzählerin.
Buchtipp: Barbara Janz-Spaeth, Hildegard König, Claudia Sticher, Zeigt Euch!
21 Porträts namenloser Frauen der Bibel. Verlag Patmos, 2023, € 25,70.
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