Wort zum Sonntag
Die Erzählungen der Evangelien sind Texte mit enormer kultureller Aufladung. Wir haben gelernt, sie in bestimmten Kontexten zu lesen, sie ernst zu nehmen, über sie nachzudenken. Was würde passieren, wenn wir sie durch eine andere Brille lesen, sie sozusagen mit neuen Augen betrachten?
Es war einmal vor langer Zeit ein reicher Mann. Dieser Mann hatte den Wunsch, ein großes Fest zu veranstalten. Er lud viele Freunde und Nachbarn ein, ließ Vorbereitungen treffen; für Speis, Trank und Unterhaltung war gesorgt. Wir können uns vorstellen, es sollte wirklich ein besonderes Fest werden, das seinen Gästen lange in Erinnerung bleiben würde. Als das Fest aber beginnen sollte, kamen keine Gäste. Der Mann stand alleine da und seine Gäste ließen sich entschuldigen. „Ich habe ein Stück Land gekauft, das muss ich unbedingt heute besichtigen“, sagte der Erste. „Ich habe fünf Ochsengespanne gekauft, jetzt muss ich sie mir genau ansehen“, sagte der Nächste. „Ich habe geheiratet und kann deswegen nicht kommen“, sagte wieder der Nächste. So ging es mit allen Gästen weiter – niemand kam.
Da schickte der Mann einen Diener in die Stadt und ließ ihn all die Menschen einladen, die auf den Straßen leben. Als aber immer noch Platz im Festsaal war, schickte er den Diener weiter: „Geh auf die Landstraßen und vor die Stadt hinaus und nötige die Leute zu kommen, damit mein Haus voll wird.“ (Lk 14,15–24)
„Nötige die Leute zu kommen“ – immer wieder ringt mir dieser Satz ein Schmunzeln ab. Sollten wir nicht alle mit Freude zu einer Feier strömen? Diese Gleichnisse, die durchaus auch humorvoll gemeint und überspitzt formuliert sind, sind eine typische Form der Kommunikation Jesu. Er äußert sich nicht nur immer wieder mit pointierten Vergleichen (stellen Sie sich doch nur ein Kamel vor, das im wahrsten Sinne des Wortes durch ein Nadelöhr geht) oder sarkastischen Reaktionen auf die Schriftgelehrten („sehr geschickt setzt ihr Gottes Gebote außer Kraft und haltet euch an eure eigenen Überlieferungen“, Mk 7,9) oder mit fein geschliffener Ironie („Das Aussehen der Erde und des Himmels könnt ihr deuten. Warum könnt ihr dann die Zeichen dieser Zeit nicht deuten?“, Mt 12,56).
Viermal kommt es in den Evangelien zu einer weiteren, ganz besonderen Aufforderung: zu werden wie die Kinder (Mt 18,2–5 und 19,13–15; Mk 10,13–16; Lk 18,15–17). In diesem Moment verdichtet sich der Humor Jesu vielleicht am deutlichsten. Die Kinder, die das Leben nehmen, wie es ist, die sich unbändig freuen und über alles und jeden lachen können, so sollen wir wieder werden, nachdem wir mühsam gelernt haben, diese Eigenschaften abzulegen. „Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch, selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen.“
(Mt 6,28–29)
Luftig leicht kommt der Humor im Neuen Testament daher, und wir neigen dazu, ihn nicht zu entlarven, die Texte zu starr und zu ernst zu lesen. Lassen wir doch einen Moment den Gedanken zu, dass sie auch Leichtigkeit enthalten, lustig und humorvoll sein dürfen, eben wie die Lilien auf dem Feld oder die Kinder um uns herum. «
Wort zum Sonntag
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Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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