Wort zum Sonntag
Aber arbeiten wir nicht allein und individuell. Der Samariter suchte einen Gastgeber, der sich um jenen Menschen kümmern konnte; genauso sind auch wir gerufen, andere einzuladen und uns in einem „Wir“ zu begegnen, das stärker ist als die Summe der kleinen Einzelpersonen ... Wir alle tragen eine Verantwortung gegenüber dem Verwundeten, das heißt gegenüber dem eigenen Volk und allen Völkern der Erde. Tragen wir Sorge für die Zerbrechlichkeit jedes Mannes, jeder Frau, jedes Kindes und jedes älteren Menschen mit dieser solidarischen und aufmerksamen Haltung der Nähe des barmherzigen Samariters ... Jesus wählte dieses Gleichnis als Antwort auf die Frage: Wer ist mein Nächster?
war für einige Juden damals als ein verachtungswürdiger, unreiner Mensch anzusehen. Deshalb gehörte er nicht zu den Nachbarn, denen man Hilfe gewähren musste. Der Jude Jesus stellt diese Auffassung völlig auf den Kopf: Er ruft uns nicht auf, danach zu fragen, wer die sind, die uns nahe sind, sondern uns selbst zu nähern, selbst zum Nächsten zu werden. Das Problem ist, dass Jesus ausdrücklich hervorhebt, dass es sich beim Verletzten um einen Juden – einen Bewohner von Judäa – handelte, während jener, der anhielt und ihm half, ein Samariter – ein Bewohner von Samaria – war. Dieses Detail besitzt eine enorme Bedeutung, wenn man über die Liebe nachdenkt, die sich allen öffnet ... Schließlich erinnere ich daran, dass Jesus in einem anderen Abschnitt des Evangeliums sagt: „Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen“ (Matthäus 25,35). ... Für die Christen haben die Worte Jesu noch eine Dimension. Sie haben zur Folge, Christus selbst in jedem verlassenen und ausgeschlossenen Bruder und in jeder vereinsamten Schwester wiederzuerkennen. Tatsächlich bietet der Glaube wichtige Beweggründe für die Anerkennung des anderen; denn wer glaubt, kann erkennen, dass Gott jeden Menschen mit einer unendlichen Liebe liebt und dass er „ihm dadurch unendliche Würde verleiht“...
betrübt mich die Tatsache, dass die Kirche trotz solcher Motivationen so lange gebraucht hat, bis sie mit Nachdruck die Sklaverei und verschiedene Formen der Gewalt verurteilte. Durch die Weiterentwicklung von Spiritualität und Theologie haben wir heute keine Entschuldigung mehr. Trotzdem gibt es noch jene, die meinen, ihr Glaube würde es ihnen erlauben, verschiedene Formen von engstirnigen und gewalttätigen Nationalismen zu unterstützen, von fremdenfeindlichen Einstellungen, von Verachtung und sogar Misshandlungen von Menschen, die anders sind. Der Glaube muss zusammen mit der ihm innewohnenden Menschlichkeit ein kritisches Gespür gegenüber diesen Tendenzen lebendig halten und dazu beitragen, schnell zu reagieren, wenn sie sich einzunisten beginnen.
So hat uns Papst Franziskus mit der ausführlichen Auslegung dieses Gleichnisses einen Schlüssel gereicht, mit dem er uns einen Zugang zu seinem Anliegen der Geschwisterlichkeit und sozialen Freundschaft ans Herz legen will. An jedem von uns wird es liegen, wie wir die Impulse umsetzen und Antwort geben auf die Herausforderungen im persönlichen Bereich wie auch im Umfeld von Politik und Glaubensleben. Von den ersten Christen heißt es, dass sie an ihrer gegenseitigen Liebe erkannt wurden. Gilt das auch für uns heute?
Papst Franziskus widmet dem barmherzigen Samariter in der Enzyklika „Fratelli tutti“ ein ganzes Kapitel. Ab dem Sonntag der Barmherzigkeit stellt Pfarrer Eugen Giselbrecht seine Lieblingszitate daraus vor.
Teil 3 von 3
mit Pfarrer Eugen Giselbrecht
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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