Wort zum Sonntag
Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie haben die Chance, zusammen mit dem Propheten Jesaja nochmals seine göttliche Vision (Jesaja 6) mitzuerleben und zu sehen, zu hören und zu riechen, was sich damals im göttlichen Tempel ereignet hat: Sie sehen, wie Gott, der Herr, auf einem riesigen Thron sitzt und dieser alle menschlichen Maße und Vorstellungen übersteigt. Sie erblicken die Serafim mit ihren jeweils sechs Flügeln. Sie hören das dreimalige Heilig, Heilig, Heilig. Sie spüren am eigenen Körper, wie die Türzapfen des Tempels zittern und sich der ganze Tempel mit Rauch füllt. Sie erleben, wie Jesaja ergriffen ist, merken sein Erschrecken und sehen, wie seine Lippen mit einer Kohle gereinigt werden und wie er sich freiwillig zum Dienst für den Herrn meldet: Hier bin ich, sende mich! (Jesaja 6,8)
Ich vermute, dass wir alle nach diesem Blick hinter die Kulissen das Heilig bei der hl. Messe ganz anders singen und beten. Wir dürfen beim dreimaligen Heilig zusammen mit dem Propheten Jesaja staunend erschrecken und bescheiden vor Gott hintreten. Die höchste Antwort auf die Heiligkeit Gottes ist die Bereitschaft, sich wie Jesaja für den Dienst an Gott und den Menschen zur Verfügung zu stellen. Hier bin ich, sende mich!
Womit kann man das dreimalige Heilig vergleichen? Es ist ein würdiges Verneigen vor der Unbegreiflichkeit Gottes. Es ist die Begegnung mit dem heiligen Gott, die jede menschliche Vorstellung übersteigt. Es ist der Versuch, auf Gottes Herrlichkeit in menschlicher Sprache zu antworten. Es ist ein Lernen von den himmlischen Scharen. Mit dem dreimaligen Heilig wird in der Liturgie ein Höhepunkt gefeiert. Jeder Kirchenraum wird aufgerissen, egal ob es eine gotische Kathedrale, eine barocke Basilika oder ein moderner Kirchenbau ist. Jetzt berühren sich Himmel und Erde.
Im christlichen Beten wurde das dreimalige Heilig mit der Dreifaltigkeit in Verbindung gebracht und zusätzlich mit Psalm 118,26 und dem Hosanna-Ruf ergänzt. „Hosanna, dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe!“ (Matthäus 21,9) Somit begrüßen wir beim Heiligruf wie die Leute von Jerusalem voll Begeisterung Jesus und bitten ihn, dass er jetzt in unsere Stadt und in unser Herz einzieht.
Wer all diese Zusammenhänge beachtet, spürt, dass das Heiliglied nicht irgendein Lied bei der heiligen Messe ist oder eine nette Singeinlage darstellt, um die vielen gesprochenen Worte aufzufrischen. Es irritiert, wenn jemand bei diesem heiligen Geschehen teilnahmslos herumsitzt oder behauptet, diese Gebete und Lieder soll der Pfarrer oder ein Chor allein beten und singen.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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