Wort zum Sonntag
Sie kennen vielleicht den Spruch: „Das Leben ist schön, von einfach war nie die Rede.“
Er lässt sich eins zu eins auch auf das gemeinsame Leben übertragen. In Gemeinschaft zu sein, ist schön, aber keineswegs einfach, sondern oft anstrengend und mühsam.
Die Crux liegt zu einem Teil in uns selber und heißt häufig Angst. Angst, ausgelacht und ausgestoßen zu werden, wenn wir ungeliebte Seiten von uns preisgeben oder Schwäche zeigen. Angst, festgehalten und beschlagnahmt zu werden, zu Dingen gedrängt zu werden, die uns widerstreben.
Angsthaben gehört zum Menschsein dazu. Wir brauchen uns weder dafür zu schämen noch davor zu erschrecken. Entscheidend ist, dass wir die Angst aufmerksam wahrnehmen und den Hinweis, den sie uns gibt, ernstnehmen, ohne uns von ihr leiten zu lassen. Ich lasse mich nicht von der Angst in die Einsamkeit bringen, sondern bringe mich mit meiner Angst in die Gemeinschaft ein.
In viele Gemeinschaften sind wir ungefragt hineingestellt. Die Familie, die Klassengemeinschaft, das Land, in dem wir geboren wurden, sind uns vorgegeben. Oft sind wir dadurch mit Personen und Konstellationen konfrontiert, die wir uns freiwillig nicht ausgesucht hätten.
Die halbwüchsige Tochter sperrt sich in ihr Zimmer ein, anstatt mit der Familie abendzuessen.
Am Arbeitsplatz gibt es Kolleg:innen, die durch ihre Schlamperei anderen mehr Arbeit bereiten als abnehmen.
Als Staatsbürger:in stehe ich vor einem Wahlergebnis, das ich mir niemals gewünscht hätte.
In all diesen Situationen gilt es zunächst, die Realität in ihrer Unvollkommenheit anzuerkennen. Oft können wir wenig daran ändern. Dann hilft es uns nicht weiter, die Schuld für den Missstand bei uns selbst zu suchen.
Weder haben die Eltern der pubertierenden Jugendlichen versagt noch ist es meine Aufgabe, die Fehler der Kolleg:innen zu kompensieren. Das widerstrebt unserem Wunsch nach Vollkommenheit, aber es entlastet und beugt der eigenen Überforderung vor.
Wie aber kann ich die Beziehung zu den „Schuldigen“ retten? An dieser Stelle ist in erster Linie die Fähigkeit zur Vergebung gefragt. Vergebung, die ein Fehlverhalten nicht einfach wegwischt, sondern dieses im Kontext der gesamten Person sieht. Jeder Mensch ist viel mehr als eine (Un-)Tat oder eine Eigenschaft. Und jeder Mensch hat subjektiv gute Gründe für sein Tun, auch wenn wir es nicht verstehen.
Sind wir Christ:innen nicht Spezialisten für Vergebung? Geübt durch die Bitte des Vaterunsers, im Wissen um die eigene Unvollkommenheit und in der Spur eines Jesus, der selbst den zuschlagenden Soldaten noch heilte, weil er ausnahmslos alle mit sich versöhnen wollte.
Sr. Teresa Hieslmayr ist Autorin des Buches „Wege zum Miteinander“, das neu bei Tyrolia erschienen ist. Sie wirkt als Psychotherapeutin und spirituelle Begleiterin für Einzelne und Gruppen.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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