Wort zum Sonntag
Die Flucht Israels aus Ägypten, dem Land der Versklavung, ist gelungen. Mit dem Durchzug durch das Schilfmeer, in dem buchstäblich das Kriegsgerät Ägyptens untergegangen ist, beginnt ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Volkes Israel. Und doch: Hat Israel sich schon von seiner Vergangenheit gelöst? Was liegt voraus?
Die erste Zeit in der Freiheit ist geprägt von Angst und Not. Es fehlt an Wasser und Nahrung, die alte Ordnung gilt nicht mehr, und noch ist nicht klar, wie ein Leben in Freiheit gelingen kann. Die Angst drückt sich in Unzufriedenheit und Kritik an Mose und Aaron aus: Die Menschen wünschen sich die alte, vermeintliche Sicherheit zurück. „Ist der HERR in unserer Mitte oder nicht?“ (Exodus 17,7) ist die entscheidende Frage, an der alles hängt. Warum schweigt Gott? Bringt der Herr das Volk in eine scheinbar ausweglose Situation und überlässt es dann seinem Schicksal?
Dieser Satz (Exodus 20,2) wird in den Wüstenerzählungen ausgedeutet: Israel erlebt Gott als einen, der Wasser und Nahrung bereitstellt (16,22–17,7) und damit die Grundbedürfnisse der Menschen deckt. Er sorgt mit dem Sabbat für eine Zeit der Unterbrechung und Ruhe (16,29–30). Und schließlich schenkt Gott Neuorientierung in einer schwierigen Zeit: Nicht durch Gewalt soll das Zusammenleben geprägt werden, sondern soziale Gerechtigkeit soll das Miteinander der Menschen ausmachen. So beendet Gott einen Krieg rasch und lässt Mose Richter ernennen, die für Streitigkeiten und Gesetzesübertretungen Lösungen finden. In den sogenannten ‚Zehn Geboten‘ und im Bundesbuch wird eine soziale Rechtsordnung grundgelegt, die weit mehr ist als eine Gesetzessammlung. Es geht darum, wie ein Leben in Freiheit gelingen kann und welche Regeln sich eine Gesellschaft gibt, um ein gedeihliches Zusammenleben für alle zu erreichen. Danach folgen Regeln für die Errichtung eines (mobilen) Heiligtums und für den Gottesdienst. Am Ende steht die Erkenntnis, dass Gott bei seinem Volk wohnt und mit ihm zieht. „Ich werde in der Mitte der Israeliten wohnen und ihnen Gott sein. Sie sollen erkennen, dass ich ihr Gott bin, der sie aus Ägypten herausgeführt hat, um in ihrer Mitte zu wohnen, ich, der Herr, ihr Gott.“ (Exodus 29,46)
Die Erzählung gibt kein historisches Geschehen wieder, aber sie greift Erfahrungen auf, die die Entwicklung des Volkes in Beziehung zu seinem Gott prägen. In einem langen Lernprozess erobert sich Israel Schritt für Schritt seine Freiheit, begleitet von einem Gott, den das Volk erst langsam kennenlernt. In der biblischen Erzählung dauert diese Phase vierzig Jahre, zwei Generationen, ein Leben lang.
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Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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