Wort zum Sonntag
„Die katholische Kirche sieht für das Erntedankfest keinen eigenen Tag im liturgischen Kalender vor“, schreibt Josef-Anton Willa vom Schweizer liturgischen Institut zur Erklärung des Erntedankfestes. Dass der Zeitpunkt der Ernte nach Erzeugnissen und Regionen sehr unterschiedlich ist und sich deswegen kein fester Termin bestimmen ließe, ist nur ein äußerer Grund. Entscheidend ist vielmehr, dass sich das Kirchenjahr nicht nach dem Wechsel der Jahreszeiten richtet, sondern dass es die Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen in Jesus Christus feiert. Die Konzentration auf Christus lässt offensichtlich keinen Platz für die Natur, das Reifen und Wachsen, für die Ernte und die Freude über die Ernte. Aber ganz so ist es auch wieder nicht. Denn jede Eucharistiefeier ist schon ihrem Namen nach eine Dankesfeier, die mit den Früchten der Erde, mit Brot und Wein, gefeiert wird. Das betont auch das Gebet zur Gabenbereitung. Der Priester hebt die Schale mit den Hostien und spricht: „Gepriesen bist du, Herr unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Wir bringen dieses Brot vor dein Angesicht, damit es uns das Brot des Lebens werde.“ Die Gemeinde kann antworten: „Gepriesen bist Du in Ewigkeit, Herr, unser Gott.“ Denselben Segen, der der Gebetspraxis des Judentums entlehnt ist, spricht der Priester über den Wein.
Josef-Anton Willa macht auch darauf aufmerksam, was im heutigen Messbuch festgehalten ist: „Es ist wünschenswert, dass die Teilnahme der Gläubigen dadurch sichtbar wird, dass sie Brot und Wein für die Eucharistie oder andere Gaben bringen, die den Bedürfnissen der Kirche und der Armen dienen.“ Darin steckt die Anregung, immer wieder einmal die Gabenbereitung ausführlicher zu begehen – eventuell auch mit Früchten, die gerade reif geworden sind, und das nicht nur zu Erntedank.
Obwohl jede Eucharistiefeier einen Erntedank enthält, hat sich dennoch ein besonderer Gottesdienst entwickelt, bei dem der Abschluss der Ernte festlich begangen wird. Dieser Brauch reicht bis ins 3. Jahrhundert zurück. Bis heute erfreut sich das Fest großer Beliebtheit, obwohl in Mitteleuropa nur mehr eine Minderheit der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig ist. Das Erntedankfest übt offensichtlich eine Faszination aus, weil es die tiefe Sehnsucht des Menschen nach der Verbindung zur Natur zum Ausdruck bringt.
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Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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