Wort zum Sonntag
Nichts geht mehr. Viele Christinnen und Christen haben dieses Urteil gefällt, wenn sie an ihre Religionsgemeinschaft denken. Ermüdet wirkt die Gefolgschaft Jesu in Europa. Die christlichen Leitprinzipien scheinen weder gefragt noch tauglich, um erfolgreich in der Welt bestehen zu können. Politik, Märkte und Moden ticken anders, als es die Gebote Gottes und die Seligpreisungen nahelegen würden. So wird Gottesglaube in den Bereich des Privaten geschoben, als nicht relevant für zeitgemäßes Leben. Beruflich wie öffentlich hätte man sich anders zu verhalten: marktkonform nämlich.
Aber: Spürt man nicht allenthalben das Frieren der Welt, die unter den Zwang von Gewinnmaximierung und Wirtschaftswachstum geraten ist? Und ist in diesem Stöhnen nicht die Angst vieler Menschen herauszuspüren, die in diesem Getriebe der Welt an den Rand oder unter die Räder geraten?
Es ist ja geradezu entlarvend, wie sich in einer Epoche größten durchschnittlichen Wohlstands die Menschengemeinschaft nur mehr das leisten will, womit sich Geld verdienen lässt. Doch die Kostbarkeiten des Lebens, das wirklich Wertvolle, spielen sich im Bereich des Unbezahlbaren ab. Freude oder Zufriedenheit als Motive reichen heute nicht – es sei denn, es lässt sich ein Geschäft damit machen.
Vielleicht werden die Nobelpreisträgerinnen und -träger der Zukunft jene sein, die es schaffen, Menschen zur Umkehr aus gegenwärtigen Irrwegen, in denen nur zählt, was zahlbar ist, zu bewegen. Gut möglich, dass nicht wenige davon Christinnen und Christen sein werden. Sie könnten die Anstrengungen der menschlichen Gemeinschaft wieder näher an die Erkenntnis heranführen, die der heilige Franz von Sales so predigen konnte: „Der Mensch ist für die Freude, die Freude ist für den Menschen.“
Also: Das Klingelingeling gilt der Lebensfreude. Türöffner der Freude sollen Christinnen und Christen werden. Die Freude, die so sehr als Nebeneffekt des Lebens an den Rand gedrängt wird, weit hinter Leistung und Renommee, gilt es zu retten. Einen hohen Rang muss man ihr zuerkennen – sonst bleibt es beim Frieren. Franz von Sales weiß um eine „religiöse Heiterkeit (...), die durch den Ernst hindurchgegangen und über ihn hinausgelangt“ ist. Um solche Freude geht es. Sie trägt das Leben.
Christsein geht. Es ist möglich. Christinnen und Christen können den Erfolgsversessenen diese andere Sicht des Lebens schmackhaft machen. Freude ist nicht bloß Luxusgut für jene, die sich schöne Dinge leisten können. Allen soll sie offenstehen. Die Nobelpreisträgerinnen und -träger der Zukunft werden Türöffner und Wegmacher sein. Sie werden das Dogma vermeintlicher Zwänge aufbrechen, hin zu mehr Freude in der Welt.
„In der Wüste bahnt den Weg des Herrn, ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott!“
Jesaja 40,3
Gottesglaube ist, geht es nach dem Propheten Jesaja, Schwerarbeit. Den Weg zu ebnen für Gott, das ist ein kräftiges Bild für den Advent.
Hierzulande sind sie ausgestorben oder vielmehr abgeschafft worden – die „Wegmacher“. Für ein Stück der geschotterten Verbindungswege in und zwischen den Dörfern waren sie zuständig. Ihr Werkzeug: eine Schaufel und ein starker metallener Rechen. Die Aufgabe: im Frühjahr die Frostlöcher einzuebnen, während des Jahres, wenn starker Regen den Weg ausgewaschen hatte, ebenso.
Nur für ein Stück war ein Wegmacher zuständig – nicht für den ganzen Weg. Im nächsten Dorf war es ein anderer.
Als Christ zu leben hat viel mit dem Wegmachen zu tun – mit der Sorge um die Verbindungswege unter den Menschen. Und wie dem Wegmacher mutet Gott auch einem einzelnen Menschen nicht die Gesamtverantwortung für den Weg zu. Auf das ihm anvertraute Stück soll er achten.
Es ist keine Riesenaufgabe, vor der man sich ängstigen müsste, sie bleibt überschaubar und bewältigbar. Man darf vertrauen, dass auch andere sich um ihr Wegstück kümmern.
Es ist nicht gleich der ganze Friede der Welt, um den ich mich kümmern müsste. Wem wäre denn eine so große Weltverantwortung zuzumuten? Aber für das kleine Stück Welt im eigenen Einflussbereich, da bin ich zuständig – für den Frieden im eigenen Umfeld. Und für das Wohl der Menschen, deren Wege sich mit meinen kreuzen. Das ist schon viel. Man kann nicht den Frieden der Welt einfordern, wenn man sich ekelhaft im eigenen Zuhause und außerhalb davon verhält.
Seit Jesus gilt: Es ist „der Nächste“, der auf den Wegen kommt, die man dem Herrn bereitet hat.
Wege wagen im Advent
Teil 3 von 4
von Matthäus Fellinger
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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