Wort zum Sonntag
So versuchte der Philosoph Leibniz mit einer logischen Argumentation zu beweisen, dass Gott die beste aller Welten erschaffen hätte. Als 1755 ein Erdbeben Lissabon zerstörte, war ganz Europa schockiert. Wie konnte Gott das zulassen? Viele Antworten damals lauteten noch: Es war eine Strafe Gottes für die bösen Taten der Menschen. Andere spotteten: Warum blieben dann Freudenhäuser unbeschadet stehen, während Kirchen einstürzten? Der Aufklärer Voltaire dagegen meinte: Gott habe die schlechteste aller Welten erschaffen. Seither ist die Frage nach dem Leid ein Streit um das Welt- und Gottesbild. Denn seit der Aufklärung ist der Versuch, Naturkatastrophen, Leid und Übel mit einem strafenden Gott zu erklären, zum Scheitern verurteilt. Wir wissen, dass viele Katastrophen einfach physikalische Ursachen haben. Was aber ist mit den menschenverursachten Leiden, Kriegen, Völkermord, Armut? Der Mensch selbst ist eine nicht minder große Quelle des Leids. Und noch eine weitere Deutung des Glaubens, nämlich Gott wolle uns mit Leid erziehen, um demütig zu werden, ist heute inakzeptabel geworden. In ihm spiegelt sich ein patriarchales, autoritäres Gottesbild. Mit dem Schriftsteller Albert Camus gesprochen: „Nein Pater ... Ich habe eine andere Vorstellung von der Liebe. Und ich werde mich bis in den Tod hinein weigern, die Schöpfung zu lieben, in der Kinder gemartert werden.“ (aus dem Roman: „Die Pest“)
Aber auch in einer säkularen Welt verstummt die Frage nach dem Leid keineswegs. An die Stelle religiöser Deutungen treten heute Pseudo-Antworten: „Du hast falsch gelebt.“ „Du hast das und jenes nicht beachtet.“ „Du warst eben am falschen Ort, zur falschen Zeit.“ „Das musste ja geschehen.“ „So ist das Leben.“ Und so weiter ... Natürlich gibt es benennbare Ursachen für Leid. Letztlich aber stehen wir ohne Antwort vor der Frage, warum es Böses gibt, warum so viel Leid in der Welt ist. Lesen wir, wie im ersten Teil dieser Serie, im biblischen Buch Ijob: Als Ijob leidet, suchen ihn seine Freunde auf, um mit ihm zu trauern. Ein wunderbarer Akt der Empathie. Aber nach einer Weile meinen sie: So, es ist jetzt genug geklagt, reiß dich zusammen, Ijob, und frag dich: Was hast du falsch gemacht? Und weil Ijob sich weigert, auch nur irgendeine Schuld für sein Leid namhaft zu machen, erklären ihm seine Freunde, was er alles falsch gemacht hat und warum Gott ihn deshalb jetzt zu Recht bestraft. Doch Ijob akzeptiert keine dieser Antworten. In der christlichen Tradition sind Ijobs Freunde zum Vorbild der Seelsorge geworden, nicht aber Ijobs Haltung im Leiden: Wir dürfen Gott mit unserem Schmerz konfrontieren, ihn sogar anschreien, wir dürfen mit ihm hadern, wir dürfen ringen mit unserem Glauben! Nicht falsche Antworten helfen uns im Leiden weiter. Es gilt, das Leiden, seine Not, seine Sprachlosigkeit, seine Grausamkeit, seine Sinnlosigkeit, auch das „Leiden an Gott“ zuzulassen. Es gilt, still an der Seite der Leidenden zu bleiben, mit ihnen solidarisch zu werden. Eine authentische Antwort ist der bekannteste Satz des II. Vatikanischen Konzils: „Hoffnung und Freude, Trauer und Angst der Menschen dieser Zeit, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind Freude und Hoffnung, Trauer und Angst auch der Jünger Christi.“ (Gaudium et spes 1) Nicht Worte, sondern Empathie und Solidarität weisen uns einen Weg im Leid. Wir werden diesen Weg auch in Jesu Leben finden, das Thema des letzten Teils dieser Serie ist.
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Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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