Wort zum Sonntag
Als der junge Beduine namens El Dib (der Wolf) im Frühjahr 1947 auf der Suche nach einer verirrten Ziege eine Höhle mit zahlreichen Tonkrügen bei Khirbet Qumran am Westufer des Toten Meeres entdeckte, galt dieser Fund als die archäologische Sensation des 20. Jahrhunderts. Denn in den Behältern befanden sich dank des extrem trockenen Klimas recht gut erhaltene antike Schriftrollen aus der Zeit vor der Eroberung Jerusalems durch die Römer im Jahr 70 nach Christus. In weiteren Höhlen konnten insgesamt 15.000 Fragmente biblischer und außerbiblischer Texte geborgen werden.
Durch Ausgrabungen versuchte man Qumran in die Geschichte des Heiligen Landes einzuordnen. Erste Spuren reichen in das 8. Jahrhundert vor Christus zurück. Im Jahr 31 vor Christus wurde diese Anlage bei einem Erdbeben zerstört, aber drei Jahrzehnte später wieder aufgebaut. Da die Qumraner sich am Aufstand gegen die Römer in den Jahren 66 bis 70 nach Christus beteiligten, wurde die Siedlung unter dem römischen Feldherrn und späteren Kaiser Vespasian geschleift. Ihre Bewohner flüchteten oder wurden niedergemacht.
Mit den ersten Ausgrabungen begann der Dominikaner Roland Guérin de Vaux von der École biblique archéologique française de Jérusalem in den Jahren 1951 bis 1956. Natürlich tauchte sofort die Frage auf, wer die Rollen beschrieben und in der Wüste Juda versteckt hatte. Lange ging die Forschung davon aus, es handle sich um die Bibliothek einer in der Nähe ausgegrabenen Siedlung der Essener, einer asketisch und zölibatär lebenden Gruppe des Judentums. Die Gemeinschaft verstand sich als „Söhne des Lichts“ und lebte in der Vorbereitung der Auseinandersetzung mit den „Söhnen der Finsternis“. Zu ihren Pflichten zählten vorgeschriebene Gebete, Schriftstudium, rituelle Waschungen und gemeinsame Mahlzeiten.
Doch mit dieser These konnten nicht alle Fragen beantwortet werden. Aufgrund neuerer Grabungen glauben manche Wissenschaftler, es hätte sich eher um eine Art Wirtschaftsbetrieb gehandelt, in dem auch Frauen und Kinder lebten. Man mutmaßte, die Schriftrollen stammten aus der Jerusalemer Tempelbibliothek und wären vor den Römern in Sicherheit gebracht worden.
Tatsache ist, dass die archäologischen Funde und die Texte sich nur schwer in Verbindung bringen lassen, da die Weltanschauung der Qumran-Gemeinschaft und ihr Lebensstil kaum archäologisch fassbare Spuren hinterlassen haben. Die Siedlung bestand meist aus Gemeinschaftsräumen. Die Gebäude sind schmucklos. Auffallend sind umfangreiche Wasserleitungen und in Fels geschlagene Becken für rituelle Waschungen. Einen Saal mit steinernen Bänken, Tischen und drei tönernen Tintenfässern definierten die Archäologen als Schreibstube.
Die Skelette aus dem Friedhof enthüllen, dass dort überwiegend Männer und nur wenige Frauen und Kinder beigesetzt wurden. Das würde erklären, dass es auch Unterschiede innerhalb der Qumran-Gemeinschaft gab: einen zölibatär lebenden, inneren Kreis und andere, auch Familien, die ähnliche Werte teilten. Ob nun die Schriften aus Qumran den Essenern zugeordnet werden können oder nicht, schmälert keineswegs ihren großen Wert als wichtige Quelle für eine jüdische Gruppierung aus der Zeit Jesu.
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Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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