Mira Stare ist Bibelwissenschaftlerin an der Kath.-Theol. Fakultät Innsbruck und Pfarrkuratorin in der Diözese Innsbruck.
Johannes Paul II. und Franziskus waren zwei charismatische Päpste. Doch was meint dieses Wort, mit dem wir Menschen als offene, gewinnende, ausdruckstarke Persönlichkeiten charakterisieren, die eine besondere Ausstrahlung haben und eine Inspiration für andere sind?
Der Begriff kommt aus dem Griechischen: „chárisma“ bedeutet die Gewährung einer Gunst oder eine aus Wohlwollen gegebene Gabe. Im religiösen Kontext wurde damit eine von Gott gewährte Gnadengabe bezeichnet. Im Neuen Testament wird der Begriff insgesamt 17 Mal verwendet, allen voran in den Briefen des Apostels Paulus. Er scheint ein Lieblingsbegriff von ihm zu sein. Im Brief an die Römer spricht er sechs Mal von Charisma, im Ersten Brief an die Gemeinde von Korinth sieben Mal, einmal hingegen im Zweiten Brief an die Korinther. Die wohl markanteste Stelle ist 1 Kor 12: Dort verwendet er das Bild, dass die Kirche der Leib Christi ist und die einzelnen Menschen Glieder an ihm. Jedes Glied der Kirche hat unterschiedliche Charismen, die zusammenwirken: Niemand kann alles, aber jeder und jede kann etwas Wichtiges zum Aufbau der Gemeinde beitragen.
Paulus meint mit Charisma die besonderen Fähigkeiten und Begabungen, die jeder und jede hat und die für die Gemeinschaft fruchtbar gemacht werden. Er spricht von den Gaben der Weisheit, des Erkennens, des Leitens, des Heilens, der Zungenrede usw. Charismatisch bedeutet, dass die Geistkraft Gottes wirkt, damit die vielen sehr unterschiedlichen Menschen sich in ein lebendiges Gesamtgefüge einbringen, in dem sie sich wechselseitig unterstützen und bereichern.
Heute wird „charismatisch“ oft bezogen auf christliche Erneuerungsbewegungen, die als geistgewirkt angesehen werden. Zungenrede und Heilungen dienen oft als Merkmale hierfür. Ich denke, dass diese Bewegungen aber keinen Exklusivanspruch auf diese Bezeichnung haben. Vielmehr sollten wir die grundlegende Bedeutung wiederentdecken, dass Gottes Geistkraft in jedem Menschen wirkt und dass er Menschen zur Einheit führt.
Mira Stare ist Bibelwissenschaftlerin an der Kath.-Theol. Fakultät Innsbruck und Pfarrkuratorin in der Diözese Innsbruck.
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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