Wort zum Sonntag
Mein Vater war Landwirt mit einem großen Betrieb und zugleich Lokführer. Diese enorme berufliche Doppelbelastung hat er mit erstaunlicher Leichtigkeit gemeistert. Sein Geheimnis? Er hat das Haus auf unserem entlegenen Hof kaum ohne ein fröhliches Lied verlassen – manchmal war es ein alter Schlager, oftmals ein origineller Jodler. Lebensbejahung pur!
Unser Vater hat uns damit ein natürliches Auf-Schauen zu Gott gelehrt. Ein dankbares Staunen. Für mich war schon als Kind klar, dass es hinter der atemberaubenden Schönheit der Natur einen Gott gibt, der noch viel herrlicher ist. Durch meinen Vater habe ich verstanden, dass Gebet keine Pflichtübung ist, sondern eine fast logische Reaktion auf ein innerliches Ergriffen-Sein. Von Gottes Dasein ergriffen sein!
Kinder sind überschwänglich in der Freude und ebenso ehrlich mit der Auskunft, wo der Schuh drückt. Jesus bestätigt dies in einem spontanen Gebet: Ich preise dich, Vater, weil du all das den Unmündigen offenbart hast (Lukas 10,21).
Um in den Lobpreis einzusteigen sind nicht viele Worte notwendig, eventuell ein Psalm oder ein Lied. Ein Auf-Schauen beginnt. Der Blick richtet sich auf Gott hin und weg von den vielen Defiziten und meist aufgeblähten Schwierigkeiten unseres Alltags. Lobpreis kann Menschen innerlich befreien – von Jammerei, Bitterkeit und Verzweiflung. In der Apostelgeschichte lesen wir: Als Paulus und Silas im Gefängnis beteten, begann das ganze Haus zu beben und die Kerkertüren sprangen auf (Apostelgeschichte 16,25f.). Fazit: Wir sollten öfter unseren Problemen von der Größe Gottes erzählen – nicht umgekehrt.
Manchmal sind es tatsächlich harte Schicksalsschläge, die Menschen zum Auf-Schauen zwingen. Für einen meiner Freunde war es die überraschende Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs. Ein echter Schock. Alles, was für ihn bisher selbstverständlich war, ist weggebrochen. Sein beruflicher Erfolg hat sich relativiert. Und dennoch, im Jahr bis zu seinem Tod intensivierte sich sein Leben. Er hat inmitten seiner tiefen Verunsicherung Gottes Gegenwart erfahren. Das Alltägliche, jede Begegnung und jedes herzliche Wort nahm er als Geschenk wahr. Er hat zu beten begonnen – staunend und dankbar. Sein Begräbnis hat viele bewegt. Es war ein Aufschauen und Atemholen mitten in der Trauer.
Das Ein- und Ausatmen, die Achtsamkeit auf den inneren Rhythmus und vieles mehr ist beim Beten wichtig. Unzählige Anleitungen gibt es dafür. Zu Recht! Kurzatmig und schnappatmend geht uns im stickigen Raum einer in sich verschlossenen Welt ja die Luft aus, früher oder später. Vor allem braucht es wie bei einer Wanderung einen starken Atem für die schwierigen Geländepassagen in unserem Leben – und für das Durchhalten, wenn vieles nicht nach Plan läuft, einen langen, geduldigen Atem. Schon ein kurzes Gebet kann Geist, Herz und Seele mit Frischluft versorgen. Jedes Auf-Schauen zu Gott stößt ein Fenster auf, sodass sein Atem, sein Geist wie Frischluft in unser Leben strömt. Durchatmen und Aufatmen, immer wieder. Ähnlich notwendig ist das regelmäßige Gebet.
Du Schöpfer von Raum und Zeit,
von Sternen und Atomen,
von Lebewesen und Menschen:
Lass uns begreifen, dass deine
Herrlichkeit jedes Maß übersteigt.
Lass unser Staunen zur
lobpreisenden Bewunderung werden
und jedes Werk aus deiner Hand zur
Ahnung noch größerer Herrlichkeit.
Bewahre uns vor der Sünde
der Überheblichen
und vor falschem Stolz.
Lass uns mit Dankbarkeit deinem
göttlichen Willen entsprechen
und lege deine erbarmende Liebe
über all unser Vergehen.
Lass uns zur Ruhe kommen
im Wissen, einst vollendet zu
werden in dir.
Amen
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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