Wort zum Sonntag
Ein Missionar erzählte von einem Mann in einem entlegenen Dorf in Afrika, der täglich sehr lange betete. Meist länger als der Missionar selbst, der gewissenhaft seine morgendliche Gebetspflicht erfüllte. Als er den Mann eines Tages darauf ansprach, antwortete dieser, dass er für das ganze Dorf beten würde. Der Missionar erwiderte, dass dies doch mit einer einzigen Fürbitte erledigt wäre. Doch der Mann entgegnete: Beim Beten gehe ich mit meinen Gedanken von einer Hütte zur nächsten, von einem Menschen zum anderen. Das braucht seine Zeit.
Ist das nicht ein großartiges Beispiel geistlicher Sorge füreinander? Ja, die Welt stellvertretend zu Gott bringen, ist ein wesentlicher Teil unserer christlichen Berufung, denn: Christsein ist immer ein solidarisches In-der-Welt-Sein und Füreinander-Dasein.
„Bete für mich!“ – Es sind gläubige und oft auch religiös distanzierte Menschen, die diese Bitte äußern. Darin drückt sich mindestens so viel Vertrauen wie eigene Überforderung aus. Wie auch immer: So gut ich kann, versuche ich, die zahlreichen Anliegen Gott vorzulegen. Aber allein wäre ich zu schwach.
Zum Glück gibt es nicht wenige Menschen, speziell Frauen und Männer in kontemplativen Ordensgemeinschaften, die diesen Dienst des stellvertretenden Gebets pflegen. Es ist ihr Beruf, ihre Berufung! Aber solidarisch beten können auch die Nicht-Profis.
Papst Franziskus hat zu einem seiner atheistischen Freunde einmal gesagt: „Bete für mich – und wenn du nicht betest, dann schick mir zumindest gute Vibes.“
Gute Schwingungen zu versenden, ist eine total einfache, weltliche Art des Betens. Es stärkt die Verbundenheit – ob wir weiß Gott wie religiös sind oder nicht. Beten ist ein Ausdruck von Liebe. Mit der Verletzlichkeit unseres Lebens stehen wir doch gemeinsam vor Gott.
Solidarisches Gebet muss auch unsere gefährdete Mitwelt, die uns anvertraute Schöpfung miteinbeziehen. Die bedrohte Artenvielfalt, der Klimanotstand und der Raubbau an den Ressourcen unserer Erde gehören in die Mitte unserer spirituellen Fürsorge! Prophetisch klagend und „bittend“.
Die Mühe um einen ernsthaften Wandel unseres Lebensstils sollte unbedingt von einem starken Gebet begleitet werden. Inhalt? Bitte um Vergebung, Dankbarkeit für die zahlreichen Wunder der Natur und Offenheit für Gottes Inspiration, damit wir die richtigen Schritte noch rechtzeitig hinbekommen.
Jedes Gebet in Verbundenheit mit dem Gott des Lebens stärkt unsere Aufmerksamkeit und Verantwortung. Eine nachhaltige Schöpfungsspiritualität braucht in jedem Fall den beständigen Atem des Gebets.
Nochmals ein Beispiel aus Afrika: Bei einem Besuch in Juba, der Hauptstadt des Südsudan, hatten wir Kontakt mit den dortigen Vinzenzgemeinschaften. Eine Leiterin hat mich stark beeindruckt. Als wir mit ihr in den Slums der Stadt unterwegs waren, zeigte sie mir ihre Liste mit etwa 350 Namen von Personen, die sie regelmäßig besucht – oder zumindest Hilfe aus der Nachbarschaft organisiert.
Ich dachte mir: Wen habe ich auf meiner Liste? Für ein echtes soziales Engagement und für ein stärkend tröstendes Gebet? Um diese notwendige Fürsorge nicht dem Zufall zu überlassen, könnte es eine Hilfe sein, einige Personen mit ihren Anliegen auf einer persönlichen Gebets-Liste festzuhalten. So konkret, um treu dranzubleiben. Die Anliegen der kleinen und großen Welt werden ja nicht weniger.
Gott der Armen,
hilf uns, die Verlassenen und
Vergessenen dieser Erde,
die so wertvoll sind in deinen Augen,
zu retten.
Heile unser Leben,
damit wir die Welt beschützen
und nicht berauben,
damit wir Schönheit säen
und nicht Verseuchung
und Zerstörung.
Rühre die Herzen derer an,
die nur Gewinn suchen
auf Kosten der Armen und der Erde.
Lehre uns,
den Wert von allen Dingen
zu entdecken und voll Bewunderung
zu betrachten; zu erkennen,
dass wir zutiefst verbunden sind mit
allen Geschöpfen auf unserem Weg
zu deinem unendlichen Licht.
Aus der Enzyklika "Laudato Si" von Papst Franziskus
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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