Wort zum Sonntag
Manchmal, wenn die Knospen auf allen Bäumen sprießen, wenn der Wind die Blüten der Blumen überall verteilt, wenn die Blätter der Bäume im Wind rauschen oder wenn die Wellen des Meeres sanft an den Strand branden – dann kommt es mir so vor, als wäre Freude überall zugegen.
Die Bibel schließt nicht nur alle Lebewesen, sondern auch Pflanzen und die gesamte unbelebte Schöpfung mit ein. Alle sind – auf ihre Art – fähig, sich auszudrücken. So wird auch den Tieren und der Natur Freude zugeschrieben.
Es gibt sie also: die Berge, die sich freuen (sollen), die Ströme, die klatschen, das Land und die Wüste, die jauchzen und jubeln. In diesen biblischen Texten wird das Bild einer überschäumenden und emotionalen Landschaft gezeichnet.
Stellen wie „Jubeln werden die Wüste und das trockene Land“ in Jesaja 35,1, „Berge und Hügel brechen vor euch in Jubel aus / und alle Bäume auf dem Feld klatschen in die Hände“ in Jesaja 55,12 oder „Es brause das Meer und seine Fülle, der Erdkreis und seine Bewohner. In die Hände klatschen sollen die Ströme, die Berge sollen jubeln im Chor“ in Psalm 98,7–8 drücken das wortgewaltig aus. Warum aber verwendet die Bibel diese Sprachbilder?
Diese Texte haben gemeinsam, dass sie das anbrechende Heil in den Blick nehmen, das Gott an der gesamten Schöpfung wirken wird. Insbesondere das Buch Jesaja baut das Motiv der sich freuenden Schöpfung stark ein – mit einer besonderen Akzentuierung am Ende des Buches, in dem das anbrechende Heil in den Blick genommen wird. Wenn dieses Heil gesehen (Psalm 98,3) und wahrgenommen wird, dann kann die ganze Schöpfung gar nicht anders, als sich zu freuen. Mehr noch: Sie wird bis in ihr Innerstes verwandelt werden. Wüste und trockenes Land werden blühen wie die Lilie (Jesaja 35,1), Dornen werden zu Zypressen und Brennnesseln zu Myrthen (Jesaja 55,13).
Die biblischen Texte zeigen uns in ihren Metaphern, welche tiefgreifende Dimensionen das göttliche Heil hat und in welchem schier unfassbaren Ausmaß dieses Heil die gesamte Schöpfung ergreift. Können wir uns eine solche Freude vorstellen, die uns erfasst und uns in unserem Innersten verwandeln kann? Können wir dafür offen sein?
Es endet aber nicht mit der Freude. Sie ist eng verbunden mit dem Lob Gottes. Am Ende des Psalters finden sich in Psalm 148 und Psalm 150 zwei bemerkenswerte Texte, die zum Lob aufrufen. Psalm 148 fordert die gesamte Schöpfung zum Gotteslob auf – Engel, Sonne, Mond, Sterne, Himmel und Wasser, die Wetter und alle Tiere: Ungeheuer des Meeres, wilde und zahme Tiere, Kriechtiere, Vögel usw. bis hin zu den Menschen. Psalm 150 formuliert es in seinem letzten Vers weniger detailliert, aber sehr umfassend: „Alles, was atmet, lobe den HERRN, Halleluja!“ (Psalm 150,6).
Aus der Freude über das Heil resultiert im Psalter der Lobpreis der ganzen Schöpfung. Ein Lobpreis, der andauert und so umfassend ist, dass nichts sich ihm entzieht. Denn alles darf sich über Gott freuen und ihn loben.
Anna Kraml, Wenn die Wüste jubelt und die Lilie frohlockt.
Über Freude in der Bibel, Tyrolia-Verlag 2025,
136 Seiten, Hardcover, € 18,00
Wort zum Sonntag
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Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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