Wer 100 Jahr alt wird, für den ist es mit der Ruhe vorerst einmal vorbei. Pfarrer, Bürgermeister, Familie und Freunde, alle waren sie da, um Maria Schlögl zum Hunderter die Hände zu schütteln. „Das Feiern ist schön, aber ein wenig anstrengend“, gesteht Maria Schlögl im Gespräch mit der KirchenZeitung. Auch jetzt, zwei Tage nach ihrem Geburtstag am 3. Februar, klopft es schon wieder an der Tür ihres Altenheim-Zimmers. Valerie Buchinger von der Pfarre Rohrbach ist da, bringt ein Geschenk, trägt ein kurzes Gedicht vor. Sie macht Maria Schlögl Komplimente: „Ich kenne ein paar Hundertjährige, aber du bist mit Abstand die fitteste.“ Tatsächlich ist Maria Schlögl erstaunlich rüstig. Erst mit 93 Jahren kam die gebürtige Haslacherin nach einem Sturz von einem Sessel ins Heim. Scheinbar mühelos kann sie in alten Erinnerungen kramen und dazwischen Fotos am Fernsehbildschirm erklären. „Sie müssen nur laut und langsam sprechen“, bittet sie den Besuch von der KirchenZeitung. Schlögl unterrichtete noch an der Schule, da hatte sie einen Hörsturz im linken Ohr. Ewigkeiten ist das her. Als sie im Februar 1914 geboren wurde, regierte Kaiser Franz Josef. Ganz verschwommen ist Maria Schlögl ihre Kleinkindzeit im Gedächtnis. „Ich kann mich an die Angst erinnern.“ Beim Zweiten Weltkrieg ist ihr ein Bild noch klar vor Augen: „Ich weiß, wie die Soldaten bei Rohrbach die Hänge heruntergegangen sind. Wir glaubten, jetzt schießen sie uns alles zusammen.“
Mit ihren 100 Jahren ständig beschäftigt
Wieso sie so alt wurde? „Ich weiß es nicht wirklich. Ich habe mir nie gedacht, dass ich so alt werde.“ Vielleicht liegt es an ihrem Alltag im Heim, dass sie so gesund blieb. „Ich bin am liebsten am Zimmer und habe eine Arbeit in der Hand“, erzählt die pensionierte Lehrerin, die an Volksschule, Hauptschule und Gymnasium im Bezirk Rohrbach unterrichtete und dafür jeden Tag bis zu acht Kilometer zu Fuß zur Arbeit gehen musste. Im Winter vergehen die Tage der 100-Jährigen mit Socken stricken, im Sommer geht sie ihrer großen Leidenschaft nach: dem Sticken. Immer noch kommen Leute aus den Pfarren Rohrbach und Haslach auf sie zu, weil sie die Qualität ihrer Arbeit schätzen. Viele Taufbänder mit Symbolen und genauen Taufdaten sind durch ihre Hände entstanden. Besonders angetan haben es Maria Schlögl die großen Altartücher. Allein für die Kirche in Rohrbach fertigte sie vier an. „Mir waren immer die alten Muster so wichtig“, erzählt sie. Schlögl ist eine Expertin auf dem Gebiet, hat Vorträge gehalten, war mit mehreren Museen in Kontakt. Sie ist viel gereist, um das Alte, das ihr so wichtig ist, zu schützen. Gerührt ist Maria Schlögl, als wieder Besuch kommt und die Katholische Frauenbewegung Rohrbach eines ihrer Altartücher mit im Gepäck hat. Eine Zeit lang ist sie in der Betrachtung des Tuches versunken. Dann sagt sie leise: „Heute sticke ich, wer weiß, was morgen ist. Wir können nicht ewig auf der Welt sein. Wir alle müssen einmal weg“. Sie lächelt dabei. Es scheint, dass sie noch eine Weile bleiben will.