Europa ist derzeit wieder ein Einwanderungs-Kontinent. – Die Rede ist vom Vogelzug. Jährlich wandern zwischen Afrika und Europa, so schätzen Experten, zwei Milliarden Vögel. Sie kommen nach Österreich, um zu brüten, in der Vogel-Hoffnung auf gute Lebenschancen für ihren Nachwuchs.
Ausgabe: 2014/12, Zugvögel, Bird Life
19.03.2014
- Ernst Gansinger
Die Natur verkommt zunehmend zur Kulisse“, warnt der Schlierbacher Hans Uhl von BirdLife Österreich. In diesem Kulissen-Verständnis begnügt sich der Mensch, „eine plakative Landschaft zu haben, in der er den Aktivitäten ungestört nachgehen kann“. Ungestört bedeutet aber, dass andere Lebewesen gestört werden. Etwa die Vögel. In Österreich gibt es – verglichen mit Mitte der Neunziger-Jahre – etwa ein Drittel weniger Feldvögel, weil sie aus ihren Lebensräumen gedrängt wurden. Die Kulturlandschaft wird in den meisten Fällen intensiv genutzt. Ausgeräumte Landschaften bringen Vögel um Nahrung und Unterschlupf. Der Rebhuhn-Bestand beispielsweise ist auf ein Fünftel geschrumpft.
Rotschwanzerl.
Die Vögel sind bei Hans Uhl in guten Gedanken. Seine Arbeit kreist um ihren Lebensraum, ihre Lebensart und was der Mensch zum guten Miteinander mit der Vogelwelt, insgesamt mit der Natur, beitragen kann. Auf Uhls Computer-Bildschirm ruft er Vogel-„Landkarten“ auf, in denen zu den verschiedenen Vogelarten beobachtete Bestände eingetragen sind. So kennzeichnet ein gelber Punkt für den Hausrotschwanz im Raum Vöcklabruck, dass dort schon im Jänner ein Rotschwanzerl beobachtet wurde. Es wird hier überwintert haben. Viel häufiger sind orange Punkte. Weite Teile, auch Oberösterreichs, sind gar in Rot getaucht: Erste Rotschwanzerl sind Mitte März bei uns schon gut eingetroffen! Andere Vögel kommen noch. Etwa die Hälfte unserer Vogelarten sind Zugvögel.
Turmfalke.
Wer hört nicht gerne den Vogelgesang, der nun von Tag zu Tag vielstimmiger wird. Gast um Gast aus dem Süden reist zu, fliegt seinen Brutplatz aus dem Vorjahr an. Die inzwischen erwachsen gewordenen Vogelkinder nehmen gerne in der Nähe Quartier. Aber die Vogelkundler kennen auch Zerstreuungs-Bewegungen, erzählt Hans Uhl – manche Vögel suchen neue Plätze. – Andere sind über den Winter gleich hiergeblieben, um sich die besten Futterplätze zu sichern. So ist der Turmfalke bis vor 40 Jahren ein reiner Zugvogel gewesen. Jetzt zählt man in Österreich einige 100 Turmfalken, die sich das Fliegen in den Süden erspart haben.
Pirol.
Die milde Witterung trage dazu bei, dass viele Zugvögel früher zu uns kommen. Diese Meinung stimme nur bedingt, sagt Hans Uhl. Man müsse zwischen Kurzstreckenziehern, die im Mittelmeerraum überwintern (etwa der Star), und Langstreckenziehern (etwa die Nachtigall) unterscheiden. Vögel, die südlich der Sahara überwintern, bekommen vom milden Winter bei uns nichts mit. Sie machen sich daher auch nicht früher auf den Weg. Daher werden die letzten Zugvögel heuer wieder erst Mitte Mai bei uns landen. Das wird unter anderem der Pirol sein, der Mauersegler, der Sumpfrohrsänger. Standvögel betrifft das milde Wetter am meisten: Es balzt schon der Birkhahn. Vom Kiebitz, einem Kurzstreckenzieher, kann Vogelkundler Uhl Außergewöhnliches berichten: Vor etwa einer Woche fand er im Raum Hörsching, zwei Wochen früher als sonst, Kiebitz-Gelege. Natürlich hat die Witterung auch auf Langstreckenzieher einen Einfluss. Der Trauerschnäpper etwa reist vom tropischen Afrika an. Wenn er kommt, freut er sich auf seine Lieblingsbeute zur Fütterung des Nachwuchses – Raupen. – Doch die stünden heuer früher auf dem Speiseplan. Auf dieses Schnäppchen muss der Schnäpper verzichten.
Brachvogel.
Wie es den Vögeln geht, hängt von der Umwelt ab. So ist auch eine unlogisch erscheinende Wahl des Lebensraums zu beobachten: Acht Brachvogel-Paare brüten auf dem Flughafen Hörsching. Vielleicht ist es der Schutz vor Füchsen, den die Zäune bieten, der mehr wiegt als der Nachteil des Lärms.
BirdLife lädt zu Vogelbeobachtungen ein: www.birdlife.at. Vogelkarten im Internet: www.ornitho.at