Um junge Leute zu erreichen, tauscht Anita Buchberger die Kirchenbank gegen einen Sessel in der Linzer City. Ein Gespräch über den Rückgang bei den Firmungen und Erstkommunionen und die Zukunftsperspektiven der katholischen Kirche.
In den letzten zehn Jahren sind in Oberösterreich Firmungen und Erstkommunionen um 25 Prozent zurückgegangen? Woran liegt das? Anita Buchberger: Es liegt natürlich vor allem daran, dass es geburtenschwache Jahrgänge sind. Aber nicht nur: Kinder werden nicht mehr getauft, weil sich viele Menschen nicht mehr so zugehörig fühlen zur Kirche. Genau da müssen wir ansetzen. Wir müssen für alle Generationen attraktiv sein.
Wenn sich der Trend so fortsetzt: Was heißt das für die katholische Kirche zukünftig – in zehn oder 20 Jahren? Buchberger: Viele gemeinsame Feste werden nicht mehr jährlich stattfinden. Zum Beispiel die Firmung: Die wird es teilweise nur noch alle zwei Jahre geben, bzw. werden Firmungen und Feste pfarrübergreifend sein. Es wird aber nicht alles nur weniger. Die Anzahl der pfarrlichen Jugendgruppen ist zum Beispiel in Oberösterreich laut der letzten Jugendaktivitäten-Erhebung sogar wieder angestiegen. Die jungen Leute suchen Gemeinschaft.
Müssen katholische Familien wieder mehr Kinder kriegen, damit der Rückgang gestoppt wird? Buchberger: Ich glaube nicht, dass das der springende Punkt ist. Wir müssen als katholische Kirche wieder näher beim Menschen sein. Ein breiteres Zugehörigkeitsgefühl muss wieder geschaffen werden.
Wie ist die Situation in Ihrem Dekanat Weyer? Ist der Rückgang bei den Sakramenten dort auch zu spüren? Buchberger: Wir haben deutlich weniger Rückgang bei den Erstkommunionen und Firmungen. Ein Problem in unserer Region ist aber, dass wir es mit viel Abwanderung in den Zentralraum zu tun haben.
Sie haben ein Straßenseelsorge-Projekt in Linz mit initiiert. Wie läuft das genau ab? Buchberger: Wir sind eine Gruppe von acht Jugendseelsorger/innen, verteilt über die Linzer Innenstadt. Jede/r hat zwei Sessel mit der Aufschrift: „Erzähl mir was, ich hör dir zu.“ Wir sitzen aufmerksam da und warten, aber wir warten nie lange, bis der erste Gesprächspartner kommt.
Wie sind die Erfahrungen? Was erzählen die Leute? Buchberger: Es haben sehr viele Gespräche stattgefunden. Die Sehnsucht des Erzählens und dass den Menschen jemand zuhört, ist groß. Es kommen die verschiedensten Altersgruppen und Gesellschaftsschichten, darunter viele Jugendliche.
Warum tun sich Jugendseelsorger/innen das überhaupt an, auf die Straße zu gehen? Buchberger: Unsere Kernaufgabe ist Seelsorge, Zeit für den Menschen zu haben, ohne immer wirtschaftlich denken zu müssen. Zu signalisieren: Ich bin offen für euch. Das ist das Problem an unserer pulsierenden Gesellschaft, dass man sich ganz selten die Zeit nimmt für intensive Gespräche.
Die Hinführung zum Glauben, zu Gott: Welche Rolle spielt das bei der Straßenseelsorge? Buchberger: Primäres Ziel für uns ist, auf die persönlichen Bedürfnisse unseres Gegenübers einzugehen. Wenn Glaubensfragen auftreten, sind wir gerne bereit, darüber zu reden.
Sie leiten die Firmvorbereitung in Weyer. Was ist bei dieser Arbeit besonders wichtig? Buchberger: Ich sehe, dass die Rituale sehr wichtig sind. Die Firmung ist an einem Lebensübergang angesetzt, wo junge Menschen viel Bestärkung brauchen.
Warum haben Sie den Beruf einer Jugendleiterin angestrebt? Was ist das Schöne daran? Buchberger: Jugendarbeit in der Kirche ist ein seelsorglicher Dienst. Mir ist wichtig, dass sich die Jugendlichen persönlich entfalten können und ich dazu beitragen kann.
Starker Rückgang bei Sakramenten
2003 gab es in der Diözese Linz 13.934 Erstkommunionen und 13.969 Firmungen. 2013 waren es 10.353 Erstkommunionen bzw. 10.410 Firmungen. Das bedeutet ein Minus von 25 Prozent innerhalb eines Jahrzehnts. In den Stadtpfarren des Zentralraums ist der Rückgang deutlicher zu spüren als am Land. Als Hauptgrund wird die niedrige Geburtenrate in der katholischen Bevölkerung angeführt.