„Wir müssen zurückfinden zum Respekt gegenüber dem Leben“
Doris Schulz, Vorsitzende der aktion leben oö, nimmt Stellung zur aktiven Sterbehilfe, zur Notwendigkeit von Abtreibungsstatistiken und den Wunsch nach Desigernbabys. Ein Gespräch zum Tag des Lebens am 1. Juni.
Ausgabe: 2014/22, Schulz, aktion leben, Koller
28.05.2014
- Das Gespräch führte Brigitta Hasch
Eingriffe in den natürlichen Verlauf von Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt sind alltäglich geworden. Die moderne Medizintechnik macht es möglich, dass Kinder zum richtigen Zeitpunkt geboren werden, die richtige Augenfarbe und sogar einen möglichst hohen IQ haben. Wohin soll das führen? Haben Sie hier die Hoffnung, dass dieser Trend zu stoppen ist? Doris Schulz: Aufgrund der immer geringeren Kinderzahl und späten Geburten machen viele Eltern aus ihrem kleinen und meist einzigem Schatz das „Projekt Kind“ mit all seinen Begleiterscheinungen und Wünschen an die Medizin. Ein wesentlicher Teil ist unsere gesellschaftliche Vorstellung, dass wir glauben, alles zu jeder Zeit zur Verfügung zu haben – auch Kinder. Es gibt aber kein Recht auf ein Kind – so hart dieser Befund für viele sein mag, und es gibt eine Schöpfung, die sich trotz hohem Technologisierungsgrad unserer Zivilisation nicht austricksen lässt. Wir müssen wieder zurückfinden zu höchstem Respekt gegenüber dem Leben, was immer es für uns bereithält.
Auf der einen Seite erleben wir den Wunsch nach „Designerbabys“, auf der anderen Seite werden Schwangerschaften immer häufiger abgebrochen, wenn eine mögliche Behinderung des Kindes diagnostiziert wird. Braucht es hier noch mehr Informationsarbeit und Unterstützung für die betroffenen Elternpaare? Schulz: Ja, die braucht es mehr denn je! Die Fortpflanzungsmedizin hat sich in den letzten 20 Jahren enorm weiterentwickelt und bietet vieles an. Werdende Eltern, vor allem schwangere Frauen, stehen plötzlich vor Entscheidungen, die sie eigentlich nie treffen wollten, z.B.: Soll ich aufgrund einer diagnostizierten Behinderung das Kind abtreiben? Ohne Beratung wären diese Menschen ganz alleine, weil ihnen sowohl die Begleitung als auch die Information, die über den medizinischen Vorgang hinausgeht, fehlt.
Die Bürgerinitiative „Fakten helfen“ der aktion leben fordert die anonyme Erhebung von Zahlen und Motiven von Schwangerschaftsabbrüchen. Was soll eine derartige Statistik bringen? Schulz: Diese Forderung ist eine zentrale familienpolitische Maßnahme, damit wir erfahren: Was brauchen Eltern tatsächlich, um sich guten Mutes für Kinder zu entscheiden? Solange wir nicht wissen, wie viele Kinder uns durch Abtreibungen verlorengehen und warum sich Eltern für diesen Schritt entscheiden, können wir auch nicht die notwendigen politischen Maßnahmen setzen. Aus Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern wissen wir, wie konkret sich aus diesen Zahlen notwendige Handlungen ableiten lassen. Die Statistik würde im Übrigen anonym vom Arzt im Rahmen der Anamnese erhoben und die Frauen wären keinesfalls mit unangenehmen Fragen belästigt. Die geforderte begleitende Motivforschung würde auf freiwilliger Teilnahme der Frauen beruhen.
Was sind die häufigsten Probleme von Müttern, die sich hilfesuchend an die aktion leben wenden? Schulz: In Oberösterreich werden die Schwangerenberatungen durch die Caritas und die Beratungsstellen von BEZIEHUNGLEBEN in allen Bezirken und in Linz durch den Verein ZOE angeboten, mit denen wir bestens zusammenarbeiten. Die Frauen, die zu uns kommen, brauchen vor allem finanzielle Unterstützung, die wir mit Einmalzahlungen, aber auch Patenschaftsgeldern, Sachspenden und Windelgutscheinen gerne leisten. Andererseits brauchen viele Frauen oft konkrete menschliche Hilfe, z.B. beim Übersiedeln oder anderen Situationen, die sich für Schwangere oft schwer bewältigen lassen. Hier greifen wir auf die Pfarren zurück, wo wir immer helfende Hände und engagierte Menschen finden.
Am Tag des Lebens ist es angebracht, auf alte und kranke Menschen zu schauen. Die Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich ist bei Weitem nicht flächendeckend. Zu diesem Thema gab es eine Bürgerinitiative gegen aktive Sterbehilfe. Welchen Weg sollte Österreich gehen, um Menschen ein würdevolles Altern zu ermöglichen? Schulz: Der „Tag des Lebens“ ist für uns ein guter Anlass, um über den Wert des Lebens, von der Geburt bis zum natürlichen Tod zu sprechen. Jeder Mensch ist einzigartig und sollte bis zu seinem Abschied auch so behandelt werden. Hospizbewegung, Palliativbetreuung, Mobile Hilfsdienste und vor allem die Angehörigen selbst leisten hier einen sehr großen und wertvollen Beitrag zu einem Leben und Sterben in Würde. Auch hier steht es uns nicht zu, „lieber Gott“ zu spielen und über Leben und Tod eines anderen zu entscheiden.
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