Nicht immer werden Depressionen gleich erkannt. Was Warnsignale sind und wie Angehörige und das Umfeld reagieren können, sagt Psychiater Gert Bürger im Interview mit der KirchenZeitung.
Sie engagieren sich für ein Bündnis gegen Depression. Was will das Bündnis? Primar Gert Bürger: In Österreich leiden etwa 400.000 Menschen an einer behandlungsbedürftigen Depression. Drei Viertel aller Suizide erfolgen im Rahmen einer depressiven Erkrankung. Zu wenig noch wird professionelle Hilfe aufgesucht. Ganz wichtig ist die Zusammenarbeit der Zuständigen in Politik, Medizin, Psychotherapie, psychosozialen Einrichtungen, Rettung und Seelsorge. Auch die Medien sind entsprechend einzubinden. Sensationsträchtige Medienberichte über Suizide können weitere Suizide auslösen.
Zu wenige Betroffene nehmen professionelle Hilfe in Anspruch. Ist Depression heilbar? Bürger: Depression kann alle treffen. Sie hat viele Gesichter und ist behandelbar! Depression ist keine Einbildung, kein persönliches Versagen und auch kein unabwendbares Schicksal. Sie ist eine häufige Erkrankung, oft auch lebensbedrohlich. Wer im Zweifel ist, ob er bzw. sie an einer Depression leidet, soll einen Arzt, eine Ärztin aufsuchen. – Lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig!
Was sind frühe Warnsignale, die auch die Umgebung erkennen kann? Bürger: Der Rückzug ist ein Warnsignal. Wenn sich der Partner verschließt, wenn er das Gefühl hat, nicht mehr zu genügen. Auch sexuelle Funktionsstörungen können auftreten, Schuldgefühle, Schlafstörungen.
Was können nahestehende Menschen dann tun? Bürger: Ins Gespräch kommen, im Gespräch bleiben – „mir fällt auf,....“ Aber nicht übervorsorglich sein, das können Betroffene schwer annehmen. Auch das Thema wechseln, um im Gespräch zu bleiben.
Zu Ihnen kommen auch viele Menschen mit Burnout. Ist es eine Volkskrankheit? Bürger: Burnout ist ein Erschöpfungszustand mit verschiedenen körperlichen Symptomen, aber es kann auch zu psychischen Erkrankungen kommen. Etwa die Hälfte der von einem schweren Burnout betroffener Personen wird depressiv.
Was ist Burnout? Wie kommt es dazu? Bürger: Für Burnout kann es viele Ursachen geben, oft sind es Kindheits-Traumata, Arbeitsplatz-Enttäuschungen und Überforderungen. Ein gering wahrgenommener Handlungsspielraum, wenig berufliche Anerkennung, mangelnd erlebte soziale Unterstützung, empfundener Rollen-Stress. Die Folgen sind Erschöpfung, verlorene Lebensfreude, schwindendes Selbstwertgefühl, zunehmende Schuldgefühle und Selbstvorwürfe. Das kann bis zu Selbsttötungsabsichten führen.
Und wieder die Frage: Ist Burnout heilbar? Was kann die Umgebung tun? Bürger: Burnout ist heilbar. Es braucht eine lange Erholung und einen neuen Lebensentwurf. Zum Gesundungsprozess ist wichtig, die Familie einzubeziehen. Die Unternehmen können vorbeugend wirken: nicht zu viel Arbeit aufhalsen, Spielraum lassen, wie jemand die Arbeit leistet, angemessen und gerecht entlohnen, Anerkennung zollen, also auch loben, für ein gutes Arbeitsklima sorgen.
Einladung
Die KirchenZeitung lädt mit anderen Organisationen zu Veranstaltungen ein, die „Erste Hilfe für die Seele bei Depression, Burnout und anderer psychischer Not “ aufzeigen. Primar Gert Bürger, Leiter der Klinik für Psychische Gesundheit am Krankenhaus St. Joseph Braunau und Gastprofessor der Medizinischen Uni Wien, ist der Referent der Braunauer Veranstaltung. „Erste Hilfe für die Seele“ bieten Fachleute der Diözese und von psychosozialen wie psychiatrischen Einrichtungen in diesem Herbst in insgesamt fünf Pfarren an.
- Ried/I., Mi., 29. Oktober, Pfarrzentrum Riedberg. - Vöcklamarkt, Di., 18. November, Pfarrsaal. - Gramastetten, Do., 20. November, Pfarrheim. - Braunau, Mi., 26. November, Pfarrzentrum St. Franziskus. - Haslach, Do., 27. November, Pfarrzentrum.
Beginn ist jeweils 19.30 Uhr. Nach der Einführung gibt es Statements von weiteren Expert/innen und Betroffenen, anschließend Publikums-Anfragen. Nach der Veranstaltung gibt es die Möglichkeit, mit den Expert/innen persönlich zu reden. Die Veranstaltungs-Reihe wird getragen von ARCUS Sozialnetzwerk, assista, BEZIEHUNGLEBEN, Caritas invita, EXIT-sozial, KirchenZeitung, TelefonSeelsorge, Union NO LIMITS und den jeweiligen Pfarren.