Eine Unzufriedenheit mit dem Finanz- und Wirtschaftssystem war in nicht wenigen Wortmeldungen beim zweiten Dialogforum des Projekts Sozialwort 10+ vergangene Woche spürbar. Zu Gast in Wels waren Vertreter verschiedener Kirchen, der Muslime sowie nichtreligiöse Menschen.
Von einer Alleinerzieherin knapp vor der Delogierung und „beschämenden“ Debatten über die Unterbringung von Asylwerbern berichtete der Welser Bürgermeister Peter Koits aus seinem Alltag. An solchen Situationen gelte es anzusetzen – eine Aufgabe nicht nur für die Politik, sondern auch für den interreligiösen Dialog, wie Koits betonte. Im Dialogforum ging es dann unter anderem um Themen wie Bildung, Sozialstaat, Stadt, Medien, Sorge-Arbeit, Armut, Klima, Flüchtlinge, nachhaltige Finanzwirtschaft oder alternative ökonomische Ansätze. Durchaus emotional wurde es, als beim Thema Finanzwirtschaft eine Teilnehmerin sagte, es brauche so etwas wie einen „geordneten Crash“, womit eine friedlich-geplante Änderung des Finanzsystems gemeint war. In Wels betonte Mariam Troschl von der Islamischen Glaubensgemeinschaft die Anknüpfungspunkte der Themen zum Islam. Der politische Aktivist und Theoretiker Martin Birkner, ein bekennender Agnostiker, empfahl, die Handlungsmöglichkeiten konkreter herauszuarbeiten.
Neue Fragen
Dass Themen wie die Finanzwirtschaft besondere Beachtung beim Dialogforum fanden, verwundert nicht: Denn die Finanz- und Wirtschaftskrise ist für viele neue Fragen verantwortlich, die sich seit dem Erscheinen des Sozialworts der christlichen Kirchen in Österreich 2004 ergeben haben. Nicht zuletzt deshalb hat der Ökumenische Rat der christlichen Kirchen das Projekt Sozialwort 10+ gestartet. „Ziel ist nicht ein neuer Text. Es geht darum, die Herausforderungen für die Kirchen aufzuzeigen“, sagte der evangelische Bischof Michael Bünker. Das Sozialwort sei weiterhin ein wichtiger Kompass, betonte Bischof Ludwig Schwarz von der Diözese Linz. Bei einem letzten Dialogforum im Dezember in Wien sollen die Ergebnisse gebündelt werden. Zu einem Thema sollen sich im März 2016 die christlichen Kirchen verpflichten.