Zu Allerheiligen und Allerseelen gestaltet der Kameradschaftsbund in etwa 250 Pfarren bei Kriegerdenkmälern Totengedenken. – An wen erinnern die Kriegerdenkmäler? Was erzählen sie? Darüber sprachen wir mit Benno Schinagl, einem prominenten Mitglied des Kameradschaftsbundes.
Hat der Kameradschaftsbund, der als Schicksalsgemeinschaft der Kriegsteilnehmer gegründet wurde, noch eine gesellschaftliche Funktion? Benno Schinagl: Wir sind das Langzeitgedächtnis der Gesellschaft, verpackt in Geschichten, Rituale, zum Beispiel die Totengedenken bei den Kriegerdenkmälern. Bei diesen wird die Geschichte der Unmenschlichkeit von Kriegen erzählt. Die Opfer haben Namen. Namen aus dem Ort. Man kann den Geschichten der betroffenen Familien nachgehen.
Aber es stehen auf den Denkmälern nur die Namen der toten Soldaten. Aber auch in der Zivilbevölkerung gab es Opfer. Benno Schinagl: Das ist richtig. Unter den Zivilisten sind mindestens so viele Tote. Sie sind in der Gemeinde begraben. Die Kriegerdenkmäler bringen in der Ferne ums Leben gekommene Soldaten wieder in die Heimat zurück.
Und die, die Widerstand geleistet haben? Benno Schinagl: Jägerstätter zum Beispiel. Ich habe bei der Feier zum 100-Jahr-Gedenken an Jägerstätters Geburt für den Kameradschaftsbund betont, dass es noch viel mehr Jägerstätters gebraucht hätte. Aber dass dieser Widerstand eben das Herausragende ist. Ja, diese Menschen gehören auch auf die Denkmäler. Sie umzugestalten ist nicht einfach. Eine sehr gute Lösung hat man zum Beispiel in Vöcklamarkt gefunden. Dort steht neben dem Kriegerdenkmal das Denkmal für die Euthanasie-Opfer. Und beide Denkmäler sind in die Allerseelen-Feiern einbezogen. Wir schreiben auf unsere Kranzschleifen: „Für alle Opfer der Kriege“.
Sie nennen die Kriegerdenkmäler ein Zeichen der Demokratisierung. Wie meinen Sie das? Benno Schinagl: Früher wurden nur den großen Feldherren Denkmäler gesetzt. Seit dem Ersten Weltkrieg wird auch der Kleinen gedacht, denen der Krieg das Leben gekostet hat. Beim Kameradschaftsbund sind die Kriegs-Romantiker, heißt ein Vorurteil. Wer Sie beim kirchlichen Symposium zum Thema Kriegerdenkmäler vor ein paar Monaten im Maximilianhaus gehört hat, wurde eines Besseren belehrt. Benno Schinagl: „Wir dienen dem Frieden!“ So steht es in unserem Leitbild. Die Hauptbotschaft der Totengedenken ist die Friedenserhaltung. Sie braucht Zivilcourage, bevor eine Situation eskaliert. Wir leben seit 60 Jahren in einer Demokratie. Was tun wir noch für deren Erhaltung? Der Kameradschaftsbund setzt sich für Frieden und Demokratie ein. Wir wollen die Neutralität. Der hochgradige Individualismus unserer Zeit schwächt die Gemeinschaft, von der wir meinen, dass sie unsere Gesellschaft braucht.
Wie kann der Frieden erhalten werden? Benno Schinagl: Das beginnt im Kleinen. Etwa dadurch – was wir beim Kameradschaftsbund Gallspach tun – dass wir uns für Asylwerber im Ort einsetzen. Dass wir uns in die gesellschaftliche Diskussion einbringen, uns stark für die Beibehaltung der Wehrpflicht engagieren. Denn eine Volksarmee ist für die Politiker ein starkes Hindernis, sich den Verlockungen internationaler Wichtigkeiten hinzugeben, etwa im Rahmen von NATO-Kampfeinsätzen.
Haben Zivildienst und Gedenkdienst auch Platz? Benno Schinagl: Natürlich. Die gehören dazu. Alle, die für die Gemeinschaft, für die Heimat etwas leisten, sind gemeint und haben im Kameradschaftsbund Platz, Männer und Frauen.
Stichwort
Der Kameradschaftsbund
Vor über 180 Jahren wurden die Vorgänger des österreichischen Kameradschaftsbundes gegründet – als Gemeinschaft, die in Not Geratenen hilft. Bald nach dem 2. Weltkrieg kam es zur Wiedergründung erster Kameradschaftsverbände durch ehemalige Soldaten der beiden Weltkriege. Als Schicksalsgemeinschaft pflegten sie die Kameradschaft und das Andenken an die Toten und unterstützten Kameraden in Not. In Oberösterreich gibt es etwa 260 Verbände mit 37.800 Mitgliedern (das jüngste ist zwölf Jahre alt, das Durchschnittsalter ist 63 Jahre). Dazu kommen noch die etwa 7000 Mitglieder der Schützen- und Traditionsvereine.